Die Wahrheit: Brodlose Kunst

Wie Max Brod sich einmal selbst Trost zusprach. Die schönsten Dichter-Anekdoten der Welt – mit echten Kalauern.

Ernst Rowohlt (l.) pafft, Max Brod (r.) wird symbolhaft vertreten. Bild: Daniel Sohr/www.atelierfliegendefische.de

„Alles, was ich unternehme, wird nie etwas anderes sein als reine Brodarbeit“, sinnierte einmal der Dichter und Kafka-Kumpel Max Brod vor sich hin, „andererseits wird es sich aber nie um brodlose Kunst handeln.“ Dergestalt aufgebaut, setzte er sich wieder an den Schreibtisch.

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Wahr ist bekanntlich, dass der deutsche Politiker Herbert Wehner (SPD) im März 1980 im Deutschen Bundestag (Bonn) seinen in seine Rede hineinstörenden Kollegen bzw. Kontrahenten Helmut Kohl (CDU) in die Schranken wies, indem er diesem zurief: „Lassen Sie mich doch ausreden, Sie Düffeldoffel da!“ Unwahr ist hingegen vermutlich das Gerücht, der deutsche Dichter John von Düffel habe sich erst nach langem Abwägen von der Idee verabschiedet, als Pseudonym den Künstlernamen John von Düffeldoffel zu wählen.

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Als Christi Himmelfahrt vor der Tür stand, erhielt der morphiumsüchtige Autor Hans Fallada eine Postkarte seines zigarrensüchtigen Verlegers Ernst Rowohlt, der anfragte, ob man nicht angelegentlich des Feiertags einen gemeinsamen Ausflug unternehmen wolle. Postwendend kabelte der Angeschriebene eine Depesche: „Im Frühtau zu Berge wir ziehn. Fallada.“ Er konnte mitunter sehr albern sein.

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„Das ist mal wieder typisch“, grummelte der Detmolder Dichter Christian Dietrich Grabbe und verließ verbittert die Buchhandlung. „Meine Dramatischen Dichtungen – ein halbes Jahr auf dem Markt und schon als ,Mängelexemplar' auf dem Grabbe-Tisch!“

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Als Günter Grass eines lauen Sommerabends einmal durch die Lübecker Fußgängerzone flanierte, sprach ihn ein Passant an und bat um die Uhrzeit. „Kurz vor sechs“, antwortete Grass.

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Als der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) im Jahre 1978 nach langem Hin und Her wegen seiner vom Schriftsteller Rolf Hochhuth aufgedeckten Nazi-Vergangenheit zurücktreten musste, konnte es natürlich nicht ausbleiben, dass irgendein Schelm kommentierte: „Hochhuth kommt vor dem Fall.“

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Einmal traf der schwermütige Lyriker Günter Kunert seine Kollegin Sarah Kirsch nicht auf ihrem idyllischen Anwesen in Tielenhemme (Schleswig-Holstein) an. Nachdem er einige Male die Türklingel betätigt, das Haus umrundet und durch alle Fenster des Erdgeschosses gelinst hatte, entdeckte er die Kirsch schließlich auf der Wiese des angrenzenden Grundstücks, wo sie, umgeben von Schäf- und Kätzchen, mit den Nachbarn unter den alten Obstbäumen saß und plaudernd eine Tasse Kaffee trank. „Sieh an“, sprach Kunert, nachdem er umständlich über den Zaun geklettert war, „die Kirsch in Nachbars Garten.“ Aber wie üblich verstand keiner, was der Lyriker gemeint hatte.

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Am Anfang war für Nestroy noch der gesamte Rest neu.

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Wie immer zum Abschluss ihrer sonntäglichen Spaziergänge durch das Appenzeller Land saßen der Ex-Dichter und Heilanstaltsinsasse Robert Walser und sein Vormund, der Schriftsteller Carl Seelig („Wanderungen mit Robert Walser“), im Buffet des Bahnhofs Herisau und nahmen einen kleinen Imbiss ein. Hin und wieder startete Seelig bei derartigen Gelegenheiten den Versuch, seinen Schützling zu ermuntern, doch wieder mit dem Schreiben zu beginnen, was den eigentlich grundgütigen Walser irgendwann auf die Palme brachte. Er möge nun endlich die Aussichtslosigkeit seiner Vorstöße akzeptieren, forderte Walser ungewohnt barsch von seinem Freund, um grummelnd zu schließen: „Seelig ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.“ Danach widmete er sich wieder mit Hingabe seinen Rösti.

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Zeitlebens konnte der Romancier und Lektor Jakob Wassermann nicht recht ergründen, warum er sich ausgerechnet in der Gesellschaft von Josef Weinheber und Otto Julius Bierbaum immer derart überflüssig vorkam.

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kari

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