Die Wahrheit: Mag der gedeckelte Mann auch rot?

Männer, die in Begleitung einer Frau Bekleidung besorgen wollen, werden vom Verkaufspersonal grundsätzlich nicht für voll genommen.

Ich bin ja eine alte Feministin und habe so ziemlich alles durchlitten: Mich vorlaut und unweiblich nennen lassen, „Emanzipanze“ sowieso. Jahrelang bin ich in bescheuerter Kleidung herumgelaufen (lila Latzhose et cetera), jahrelang war ich dafür, dass Frauen sich in Chefetagen breitmachen dürfen – zum Dank bescherte mir das Schicksal Maggie Thatcher und Angela Merkel. Und überall sonst haben immer noch die Männer das Sagen. Dachte ich jedenfalls bis vor Kurzem.

Da habe ich dann erst entdeckt, dass es Lebenssituationen gibt, in denen Männer von Frauen auf das Wunderbarste bevormundet, gedeckelt und gedemütigt werden. Willkommen im Gruselkabinett der Domina, aber nicht auf St. Pauli, sondern auf der Mönckebergstraße, im KaDeWe sowie in allen Boutiquen dieser Welt.

Das erste Mal fiel es mir auf, als ich den Liebsten beim Jackenkauf begleitete. Der Verkäufer beglückwünschte ihn zu seiner Wahl und sprach dann über die richtige Pflege für das gute Stück. Und zwar mit mir. Als ich ihm zu verstehen gab, dass ich nicht plante, ein Kleidungsstück zu waschen, das ich gar nicht trage, entschuldigte er sich immerhin peinlich berührt – er war ja auch ein Mann.

Verkäuferinnen sind da ganz andere Kaliber. Der Liebste probiert einen Pullover an, ich warte brav vor der Umkleidekabine. „Was mag er denn, Grobstrick oder Feinstrick?“, kumpelt mich die Kleidungssachverständige an. Ich: „Äh …“ Als mein Mann dann wieder neben mir steht, im Testpullover, nimmt sie ihn zwar wahr, aber eher als eine Art Schaufensterpuppe. „Das ist zu klein, er braucht eine Nummer größer. Mag er auch Rot?“

„Kann er auch sprechen?“, flüstere ich dem Liebsten zu, der betreten und stumm den Kopf schüttelt. Ein Geschäft weiter begutachtet ein gut aussehender Kerl siegesgewiss ein teures Sakko. Er gefällt sich im Spiegel, das sieht man, und dreht sich zufrieden in seiner prospektiven Beute hin und her. Seine Frau sitzt daneben und guckt irgendwie genervt.

Da naht die Verkäuferin. „Das geht gar nicht von hinten.“ Er stutzt kurz, findet sich aber immer noch schön. Sie legt nach. „Sie müssen sich klarmachen, dass die halbe Menschheit Sie von hinten sieht. Und am Gesäß stößt es auf.“ Daraufhin verlässt der Mann rasch erst das Jackett, dann den Laden. Hat die Verkäuferin seiner Frau boshaft zugezwinkert? Und außerdem der halben Menschheit?

Mein Lieblingseinkäufer aber war weder gut aussehend noch jung. Ich traf ihn in unserer Kreisstadt in einem wenig mondänen Laden. Natürlich hatte er seine Frau dabei, natürlich verhandelte sie mit der Verkäuferin über die neue braune Jacke für ihren Schützling. Eine Rentnerjacke. Sie halfen ihm hinein, stellten ihn vor den Spiegel und versicherten sich gegenseitig: „Das steht ihm.“

Er hörte sich das eine Weile an, dann konterte er stolz: „So eine Jacke habe ich schon. Die habe ich mir ganz allein in Lübeck gekauft.“ Lübeck, das Zentrum textiler Männeremanzipation. Wir werden es bei unserem nächsten Aufenthalt überprüfen.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.