Die Wahrheit: Stämme aus Stahl

Die Finnenwoche der Wahrheit: Wo Musik aus Metall geschmiedet wird, da gibt es eine reiche stählerne Geschichte des knallharten Klangs.

Für die Finnen ist klassische Musik selbstverständlich auch Metal. Bild: reuters

Ein altes ungarisches Sprichwort besagt: „Hart, härter, Finne!“. Zu recht, denn wenn der Finne den Wald erfunden hätte, wären die Bäume aus Metall. Auch das Wasser der 30 Milliarden finnischen Seen und Tümpel wäre aus Metall. Und hätte der trinkfreudige Finne den Magen erfunden, wäre es dieser ebenso. Aber weil es das alles schon gab, als der Finne sich seiner Umwelt bewusst wurde, erfand der Finne lieber die Musik – und er nannte sie Metal!

Dies geschah im Jahre 1312, zur Zeit des großen finnisch-ungarischen Zerwürfnisses, als sich die Finnen in Folge eines Streits um Einfuhrzölle auf finnische Paprika von den Magyaren abspalteten und fortan alle Brücken abbrachen. Sogar die einst gemeinsame Sprache verleugnete man und tarnte sie in Finnland mit lauter doppelten iis, uus und aas. Zudem ließ man plötzlich alles auf -ti, -ki und -lalelu enden. Nur der Metal als einzige ureigene finnische Erfindung blieb verschont und musste nicht in Metaaliilu unbenannt werden – was der brutalen Musik auch völlig die Glaubwürdigkeit geraubt hätte.

Finnischer Metal ist viel mehr als die virtuose Vermischung rauer, ungeschliffener Klänge zu einem Sturm aus Klirren und Krächzen. Er ist Ausdruck eines Seelenzustands und akustischer Spiegel des oft so unzugänglichen Innenlebens der reservierten Nordländer. Wer also wissen will, wie es im Zwielicht des finnischen Gemüts aussieht, der spitze die Ohren und drehe alle Regler auf 11!

Dabei ist es fast egal, welche finnische Band man sich anhört. Nicht weil sie etwa alle gleich klängen, im Gegenteil, sondern weil es dort schlicht und ergreifend nur Metal gibt! Wo in anderen Ländern verschiedene Genres blühen, hat der Finne einen dichten Forst aus Stahl gepflanzt. Was im Ausland Pop heißt, ist in Finnland Popmetal und wird verkörpert von der auch international erfolgreichen Combo HIM. Psychadelic oder Stoner Rock – der auch wegen des Volkssports Depressierreiten sehr beliebt ist – findet sich im hippen Selbstmördermetal von Sentenced wieder oder bei den suizidalen schwarzmetallischen Vertretern von Thergothon, Phlegethon oder Abkratzothon.

Was andernorts als Rock oder Alternative im Radio gespielt wird, hört der Finne in Form von Lordi, die mit ihrem geschmetterten „Hard Rock Halleluja“ seinerzeit sogar den Eurovision Song Contest gewinnen konnten. Ebenfalls sehr beliebt ist im Land der traditionellen Saunagänger die Volksmusik – nur nennen sie diese Folkmetal und besaufen sich gern zu den Humppa-Klängen von Ensiferum, Finntroll oder Korpiklaani.

Selbst Gospel und Kirchenmusik wurde metallisiert: wahlweise als sakraler oder satanischer Blackmetal. Die Bands Beherit, Goat Vulva oder Impaled Nazarene sind als führende Vertreter zu nennen. Diese Aufzählung ließe sich mit beliebigen Stilrichtungen fortsetzen – von Heavyjazz bis Rapmetal, von Discodeath bis Dubstepcore, von Powerblues bis Speed-Reggae!

Und damit sich alle Finnen ihrer reichen metallischen Geschichte und ihres musikalischen Erbes bewusst sind, wurde Metal schon vor 120 Jahren offiziell als Unterrichtsfach in den Schulen eingeführt. Der Lehrplan umfasst dabei alle gängigen Gesangs- und Spieltechniken: Growling, Shouting, Screaming, Doublebass, Blastbeats, Shreddern, Moshen, Rumpeln, Dröhnen, Wummern und vieles mehr. Doch trotz dieses umfassenden Bildungspakets, wurde das Fach Metal beim Pisa-Test bisher nicht berücksichtigt – aus Gründen mangelnder Vergleichbarkeit. Wohl auch besser so, denn sonst hätten die Finnen noch viel besser abgeschnitten.

Auch als Abiturfach ist Metal sehr beliebt. Die übliche Prüfung sieht hier vor, dass die Schüler zunächst ein bekanntes Lied einer finnischen Band nachgröhlen, -grunzen, -schreien, -keifen, -shouten, -krächzen oder -gurgeln. Dann muss publikumswirksam ein Liter Blut getrunken und einem beliebigen Kleintier der Kopf abgebissen werden. Bestanden hat, wer es schafft, mit einem Biss sämtliche Halswirbel zu durchtrennen.

Hat man schließlich das Metal-Abi in der Tasche, stehen einem in Finnland alle Möglichkeiten offen: Als Metalwarenhändler, Heavymetal-Schwertransportfahrer, Headbangerhunter, Professor für Metalurgie oder sogar als Metalminister! Denn seit 2002 gibt es einen eigenen Kabinettsposten für die Belange des Metals.

Erster Metalminister war der als politischer Hardliner bekannte Arvid „Thrasher“ Blakkinen, der damals sogleich eine rigorose Gesetzesinitiative namens „Death to false Metal!“ ins Leben gerufen hat. Sie verbietet das Untreusein in der Öffentlichkeit und bestraft Verstöße unbarmherzig. Das sollte man als verweichlichter Ausländer beim nächsten Finnlandurlaub beherzigen, wenn man nicht in einem der knallharten Umerziehungslager landen möchte.

Also, fix die Kutte mit Aufnähern bestücken, Haare wachsen lassen, Nietenarmbänder umlegen und schwarzweiße Schminke besorgen. Dann steht einer Bildungsreise ins Land der „Stahlharten“ nichts mehr im Weg. Hail!

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