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Die WahrheitJieper! Jieper!

Die Finnenwoche der Wahrheit: Die Sieger im Unterbringwettbewerb 2014 stehen fest. Als Preis erhalten sie „Die große Ente“.

Dem weltbekannten finnischen Künstler M. A. Numminen krault exklusiv für die Wahrheit eine der schönsten Töchter des Landes wie von Sinnen das Kinn. Bild: M. A. Numminen

Ins mittlerweile fünfzehnte Jahr geht der beliebteste Preis, der alljährlich auf der Frankfurter Buchmesse vergeben wird: der Jieper-Preis im Wahrheit-Unterbringwettbewerb. Dabei muss jedes Mal ein neuer Nonsenssatz passend zum Gastland der Buchmesse in einem publizistischen Medium untergebracht werden, sei es in einer Zeitung oder Zeitschrift, in einem Radio-, Fernseh- oder Internetbeitrag oder was auch immer als Transportmittel des Nonsens taugt. Diesmal lautete die nordisch poetische Aufgabe: „Wie von Sinnen sind die Finnen, krault man ihnen an den Kinnen.“

Seinen Namen hat der Jieper-Preis vom ersten Unterbringsatz: „Wer Jieper hat, muss schmackofatzen!“ Und der Preis selbst ist schon sehr begehrenswert, ist er doch eine wertvolle Flasche Brandy der Marke „Grand Duque d’Alba“ – im Wahrheit-Jargon „Die große Ente“ genannt.

Wenn der Jieper-Preis an diesem Samstag in Frankfurt auf dem taz-Stand (Halle 3.1, B 157) übergeben wird, hat der Wettbewerb einen Monat lang gedauert. Und jedes Mal registrieren die Wahrheit-Redakteure verblüfft, mit welcher Verve die Teilnehmer sich an die Umsetzung der Aufgabe machen, an welchen Stellen der Finnen-Unfug unvermutet auftaucht. Denn anders als bei üblichen Wettbewerben muss man für den Jieper-Preis etwas Mutiges oder Überraschendes tun.

Normalerweise werden Auszeichnungen ins Leben gerufen, damit sich irgendeine Zahnarztkammer mit dem Namen eines halbwegs berühmten Schriftstellers schmücken kann. Oder irgendeine langweilige Stadt greift zu dem völlig überschätzten Marketinginstrument, um sich im Rampenlicht des Mäzenatentums zu präsentieren. Um solche Preise zu bekommen, muss man lediglich einen überflüssigen Roman schreiben. Doch beim Jieper-Preis muss man mehr tun, man muss tricksen und täuschen und den Unterbringsatz zum Beispiel an Vorgesetzten und Chefredakteuren vorbei ins Blatt schmuggeln. Der Versuch kann, wie man hört, mitunter üble Konsequenzen haben. Aber das ist der Jieper-Preis: eine Mischung aus Mut und Nonsens, um die immer ernsthaftere Welt eine Spur komischer zu machen.

In einem ernsten Umfeld platzieren

Deshalb genügt es auch nicht, wie viele unbedarfte Kollegen glauben, über den Unterbringwettbewerb zu berichten oder den Nonsenssatz wie in der Celleschen Zeitung lediglich in eine persönliche Kolumne hineinzuschreiben. Die Chancen auf den Gewinn steigen, wenn man den Satz in einem ernsten Umfeld platziert. Oder man nutzt ihn gleich, um etwas ganz Neues zu schaffen.

Und damit sind wir auch schon fast bei den diesjährigen Siegern. Das heißt, erst einmal sollen all die tapferen Teilnehmer aus den kleinen Lokalzeitungen und Provinzblättern gewürdigt werden, die sich Jahr für Jahr mit Löwenmut in die Schlacht werfen, um eines Tages auch einmal Träger der „Großen Ente“ zu werden. Stellvertretend für alle peripheren Medien sollen hier das Bad Herrenalb Magazin, das das Finnenkraulen auf einem Wildkatzen-Walderlebnispfad entdeckte, und die katholische Wochenzeitung Tag des Herrn, die auf dem „Fest der Kreuzerhöhung“ gekraulte Finnenkinne ortete, lobend erwähnt werden.

Repräsentativ fürs Radio steht der RBB-Sender Radio Eins, dessen Moderatorin Anja Goerz in einem Interview die deutlich irritierte Fernsehnase Kai Pflaume mit dem Finnensatz konfrontierte. Das reicht zwar noch nicht zum Sieg, aber Radio Eins ist auf dem richtigen Weg.

Klassische Beispiele, wie man es nicht macht, lieferten hingegen die Onlineredaktionen des Hessischen Rundfunks und des Portals „finn-land.net“, die beide die Sentenz in einen Text über finnischen Humor einfügten. Das ist einfach zu nah dran, das Naheliegende ist selten witzig.

Sehr geradlinig und auch beinahe preisverdächtig hingegen ging das vom Auswärtigen Amt geförderte Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) vor. In einem Beitrag über „Mehr Kulturvernetzung im Ostseeraum“ wird von einem sechstägigen Workshop während der „Helsinki Design Week“ berichtet, bei dem Teilnehmer angeblich herausfinden könnten, ob Finnen tatsächlich wie von Sinnen sind, krault man ihnen an den Kinnen.

Spott und Chuzpe

Das Wichtigste aber ist, den Nonsenssatz richtig wiederzugeben. Wozu Achim Winter offenbar nicht fähig war. Der Reporter des ZDF-Magazins „Hallo Deutschland“ baute den Vers zwar gleich zweimal in eine Reportage ein, aber zitierte ihn nur einmal korrekt. Werktreue ist unablässige Vorbedingung dafür, preiswürdig zu werden.

Damit kommen wir zu den Siegern. Das heißt, eine Würdigung vorab muss es noch geben: In der Wochenzeitung Die Zeit hat der Wissenschafts-Redakteur Urs Willmann auf einer ganzen Seite „7 Wahrheiten über die WinkingerInnen“ verkündet und dabei mit einer erstaunlichen Volte die Finnenkinne untergebracht: „Das spätere Geläster fremder Chronisten wussten die Wikinger schon zu Lebzeiten zu kontern, mit Neckereien. Runen in der Stützmauer einer Latrine legen Zeugnis davon ab, das sich ein Fischhändler namens ’Ringel‘ über die Nachbarn im Osten lustig machte: ’Wie von Sinnen sind die Finnen, krault man ihnen an den Kinnen.‘“

So viel Spott und Chuzpe ist sicher eines Preises wert – allein: Der gute Mann hat bereits im Jahr 2010 den Jieper-Preis geholt. Außerdem ist er, was fast unmöglich erschien und auch nur in Teamarbeit geschehen konnte, tatsächlich übertroffen worden. Und damit sind wir endgültig bei den Siegern. Das heißt, zuvor will sich die Wahrheit noch ganz herzlich bedanken bei M. A. Numminen. Der weltberühmte finnische Musiker, Schriftsteller und Künstler erklärte sich auf Anfrage sofort bereit, unser Motto bildlich umzusetzen, was ihm gemeinsam mit seiner Tochter auch hervorragend gelungen ist.

So jetzt aber: Gewinner des Wahrheit-Unterbringwettbewerbs und Träger des Jieper-Preises 2014 ist der Verlag Monsenstein & Vannerdat. Seit Jahren nehmen die wackeren Münsteraner Verleger am Unterbringwettbewerb teil, haben diverse zweite Plätze belegt und Trostpreise eingeheimst. Im vergangenen Jahr zum Beispiel hatten sie eine handelsübliche Bibel herausgebracht, im ersten Buch Mose war der von der Wahrheit damals vorgegebene Nonsenssatz als Vers 32 angefügt worden? Deshalb waren die seriösen Westfalen bei allen Preisverleihungen der vergangenen Jahre anwesend und haben dem traditionellen Grundsatz „Die Zweiten dürfen die Ersten ausbuhen“ lebendige und lautstarke Gestalt verliehen. Allein für dieses Lebenswerk gebührt Monsenstein & Vannerdat der Preis.

In diesem Jahr aber sprengten sie alle publizistischen Ketten! Sie beschränkten sich nicht auf Bücher oder andere Schriftwerke, die sie verlegen. Sie vertonten den Text – in einer „Easyfinnig“- und einer „Metalfinning“-Version. Dann ließen sie eine Schallplatte aus echtem Vinyl, eine klassische 45er-Single, mit Vorder- und Rückseite pressen. Ein formales, wie auch inhaltliches Meisterwerk, das die „Große Ente“ mehr als verdient hat und den Nonsens der Wahrheit erstmals auf musikalischem Weg in die weite Welt trägt: „Wie von Sinnen sind die Finnen, krault man ihnen an den Kinnen.“ O yeah!

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