: Die Verharmlosung muß weg
■ Podiumsdiskussion „Rechtsextremismus und Justiz“ im Martin-Gropius-Bau: Was tun mit rassistischen Gewalttätern?/ Skepsis gegenüber Strafverschärfungen
Kreuzberg. Rechte werden milder bestraft als Linke, weil es einen latenten Rassismus bei den Strafverfolgungsbehörden gibt. Aber härtere Strafen und schärfere Gesetze sind keine erfolgversprechende Strategie gegen Rechts, vielmehr geht es um die gesellschaftliche Ächtung rassistischer Gewaltakte. Das war der Tenor einer gutbesuchten Podiumsdiskussion am Mittwoch abend im Martin-Gropius-Bau. Dazu eingeladen hatten das „Aktive Museum Faschismus und Widerstand“, die „Antirassistische Initiative“ und die „Neue Richtervereinigung“.
Anlaß der Veranstaltung war der zweijährige Todestag von Amadeu Antonio. Der Angolaner war in Eberswalde von 50 rechtsradikalen Jugendlichen so schlimm mißhandelt worden, daß er zwei Wochen später starb. Griet Newiger, die für die „Antirassistische Initiative“ den Prozeß gegen die Täter von Eberswalde beobachtet hatte, zählte eine Reihe von Indizien für den latenten Rassismus bei den Strafverfolgungsbehörden auf: Die Polizei sei am Tatort gewesen und habe dennoch nicht eingegriffen. Vor Gericht hätten die schwarzen Tatzeugen keine Namen, nur Nummern gehabt. Der Richter habe gar von „Negern“ gesprochen. Und: Im Prozeß sei jede Frage nach rechtsradikalen Organisationen im Hintergrund abgeblockt worden. „Die Verharmlosung bei der Strafverfolgung muß weg“, forderte sie. Allzu eilfertig würden die Täter als Opfer sozialer Verhältnisse dargestellt. Der Ruf nach dem starken Staat sei indes für Linke geradezu gefährlich und trage nichts zur gesellschaftlichen Ächtung des Rassismus bei.
Jürgen Röper, Ministerialrat im Justizministerium Brandenburg, befand ebenfalls, daß bei der Strafverfolgung der Täter in Eberswalde „viel nicht ordnungsgemäß abgelaufen ist“. Anhaltspunkte für die Existenz von Rassismus unter Polizisten oder Juristen habe er jedoch nicht. Vielmehr sei die Polizei im Jahr 1990 für „so was“ wie in Eberswalde nicht gerüstet gewesen, weil „früher die Stasi die Probleme erledigte“. Inzwischen, wie bei der verbotenen Neonazi-Demonstration in Halbe, sei man in der Lage, einen „relativ wirksamen Schutz“ zu organisieren, und zwar vor allem dadurch, wie er zugab, „daß erhebliche Hilfe eingeflogen wurde“. Aber: Der „Apparat“ allein könne mit Rechtsradikalismus und Rassismus nicht fertigwerden: „Es funktioniert nämlich nicht die Mithilfe der Leute, die im Umkreis der Täter leben.“
Biplab Basu von der „Antirassistischen Initiative“ sprach indes auch der Justiz selbst diese Fähigkeit ab. In Deutschland gäbe es jede Menge „rassistische Rechtsprechung und Gesetzgebung“, zum Beispiel das „Blutprinzip“, den hier geborenen Kindern ausländischer Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft zu verweigern.
Rechtsanwältin Margarete von Galen hatte als Nebenklagevertreterin im Prozeß um den erstochenen Vietnamesen Nguyen Van Tu ebenfalls schlechte Erfahrungen machen müssen: der Vorsitzende Richter habe unter anderem den einzigen deutschen Tatzeugen zum einzigen Tatzeugen umdefinieren wollen. Rechtsradikale Täter wollte sie „nicht höher, aber auch nicht milder“ bestraft sehen. Letztlich könne das Problem nur politisch gelöst werden. „Das beste Signal“ sei, wenn die Bundesregierung die Asyldebatte stoppe und endlich bekenne: „Wir sind beschämt.“
Jugendrichter Wolfgang Herrlinger war sich ebenfalls sicher, daß man mit der Änderung des diskriminierenden Ausländergesetzes mehr erreichen könne als mit härteren Strafen. „Die Leute“, wußte der Richter, „kommen schlechter aus dem Knast, als sie reingekommen sind.“ Ute Scheub
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