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■ Die Vatikankamera überträgt die Papstaktivitäten ins InternetDrei Bilder pro Sekunde vom hl. Server

Einreichen – jawohl, das ist der angemessene Terminus: Einreichen. Wo bei anderen Internet- Suchmaschinen der entscheidende Button mit so profanen Begriffen wie „Start Search“ beschriftet ist, steht auf der Heiligen Homepage (www.vatican.va), beim Stellvertreter Gottes auf Erden und im Cyberspace, ein würdevolles „Einreichen“.

Doch halt, nicht so schnell, da ist noch ein Hinweis: „Um zu kontrollieren, wie Ihr Web-Sitz indexiert ist, rufen Sie die Hilfe für die eigene Verwendung des META- Kennzeichens auf.“ Die tiefere Bedeutung dieses Satzes bleibt auch für Internet-Spezialisten im Verborgenen: Wieso muß der Web- Sitz vom META-Kennzeichen indexiert werden? Was zum Teufel ist das überhaupt? Um dem Heiligen Geist mitzuteilen, mit wem er es zu tun hat, brauchen Sie das nicht. Oder wollen Sie die Gläubigen von den Ungläubigen unterscheiden? Ein sterblicher Programmierer würde nie auf solche Ideen kommen.

Aber dann geht's los: Mit der unermeßlichen Weisheit des Herrn und der Kraft des Heiligen Geistes (gesponsert von AltaVista) läßt sich auf in finsteren Gewölben verborgenen Servern alles finden, was Papst Johannes Paul II. jemals von sich gegeben hat. Beim Stichwort „Frauen“ zum Beispiel wird auch jener umstrittene Brief gezeigt, den der Heilige Vater an die deutschen Bischöfe geschrieben hat, um sie in Fragen des Schwangerschaftsabbruchs zur Räson zu rufen. In voller Länge und auf deutsch. Katholische Beratungsstellen haben keine Bescheinigungen auszustellen. Basta. Gleichzeitig sollen die Jungs aber dafür sorgen, daß „die Kirche auf wirksame Weise in der Beratung der hilfesuchenden Frauen präsent bleibt“. Damit läßt der Chef seine Hirten im Regen stehen, und allein die Lektüre dieses Briefes lohnt den ganzen Aufwand.

Die hl. Suchmaschine ist wichtig, denn wer sich durchklicken will, braucht das kleine Latinum. Die Vatikan-Website wurde vor etwas mehr als einem Jahr eingerichtet, urbi et orbi '97 ging schon übers Internet. Jetzt haben sie etwas Neues: Papst Johannes Paul II. wird ständig von einer Internet- Kamera verfolgt. Alle Aktivitäten des Oberhaupts, der traditionelle Angelus, die Generalaudienzen und die Gottesdienste auf dem Petersplatz oder in Castelgandolfo bis hin zu seinen Reisen in Italien oder ins Ausland, alles kann live im Netz verfolgt werden. Briefmarkengroß und in gewohnter Zappel- Qualität. Wenn die ganze katholische Internet-Welt zuguckt, schafft auch der hl. Server nur 3 Bilder in der Sekunde. Zudem ist ein Plug-in erforderlich: Der „RealPlayer“. Man bekommt ihn bei www. real.com – das nur am Rande, weil die hl. Kamera nicht darauf hinweist. Aber wer sich die Love Parade, die Boygroup „Dumm fickt gut“ und die diversen Parteitage mit dem Wahlkampfgelaber schon mal live angeguckt hat, kennt auch den RealPlayer und hat ihn auf der Platte. Gehört die Firma nicht sowieso schon längst Bill Gates?

Satellitenfernsehbesitzer können einfach die Schüssel auf „Hot Bird 2“ ausrichten (13 Grad Ost) und sich das Ganze bei CTV (Vatikanisches Fernsehzentrum) in bester Qualität angucken. Aber fromme Christenmenschen müssen leiden. Geißeln und Buße tun. Deshalb ist der RealPlayer goldrichtig. Auch die Vatikan-Homepage ist etwas ganz Besonderes: Braune Kapitälchen auf marmoriert-vergilbtem Hintergrund. Schwarzweißbilder, die durch den „Ancient“-Filter gejagt wurden, damit auch sie alt und vergilbt aussehen. Wie in einer alten Kathedrale. Was jetzt noch fehlt, ist Weihrauch – übertragen vom Heiligen Geist, fein verteilt vom Computer-Ventilator und hervorquellend aus blechernen Lüftungsschlitzen. Dieter Grönling

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