piwik no script img

■ Die USA wollen dem Irak unbeschränkte Ölverkäufe gestattenFlucht nach vorn

Falls US-Präsident Bill Clinton die Außenpolitik seiner Regierung überhaupt noch verfolgt, müssen ihn die Entwicklungen der letzten Woche schwer getroffen haben. Sein Erzfeind Saddam Hussein ist obenauf, und der Oberbefehlshaber der letzten Supermacht muß nachgeben. Sein Land sei jetzt auch bereit, dem Irak Ölverkäufe in unbeschränkter Höhe zu gestatten. Dies verkündete der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen zu Beginn der entscheidenden Sicherheitsratssitzung am Donnerstag in New York. Der Grund des überraschenden Einlenkens der USA: Amerika droht im Sicherheitsrat vollkommen isoliert zu werden. Die USA waren zu diesem Schritt gezwungen, wollten sie nicht riskieren, daß Rußland, Frankreich und die arabischen Länder die nur noch durch das US-Veto aufrechterhaltenen Sanktionen gegen den Irak einfach ignorieren.

Die USA hoffen, durch das Angebot eines unlimitierten Ölverkaufs das Argument entkräften zu können, unter dem Embargo leide nur noch die irakische Bevölkerung. Saddam hätte dann ja genug Geld für Lebensmittelimporte und alle anderen für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Güter. Für die USA rächt sich jetzt, daß sie im Dezember glaubten, eigenmächtig den Irak bombardieren zu können. Saddam Hussein nutzt seine Opferrolle so virtuos, daß er es sich im Moment sogar leisten kann, den französischen Vorschlag zurückzuweisen, die Sanktionen ganz aufzuheben, wenn dafür im Gegenzug eine internationale technische Überwachung der irakischen Waffenproduktion gewährleistet wird. Von der Rückkehr der Unscom-Inspekteure ist nach der jüngsten Spionageaffäre schon gar keine Rede mehr.

Statt dessen tönen Saddam und sein Stellvertreter Tarik Asis schon wieder, Kuwait sei irakisches Territorium, und wenn der Irak seine Massenvernichtungswaffen zerstören soll, sollten dies gefälligst die übrigen Staaten der Region, vor allem Israel, auch tun. So stark fühlte sich das irakische Regime lange nicht. Clinton und sein Team haben nun genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie angeblich erreichen wollten. Die irakische Waffenproduktion wird, verglichen mit dem Zustand vor dem Dezemberangriff, weit weniger kontrolliert, und die USA sind weit davon entfernt, Saddam Hussein stürzen zu können. Es sei denn, sie marschieren wirklich im Irak ein. Da dies nicht zu erwarten ist, steht Clinton vor einem Scherbenhaufen. Jürgen Gottschlich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen