Die USA verklagen die Deutsche Bank: "Briefe ungeöffnet und ungelesen"
Die Deutsche-Bank-Tochter MortgageIT soll geschlampt haben. Ihr und der Deutschen Bank wird in den USA vorgeworfen, bei Krediten für Immobilien sorglos gewesen zu sein.
"Rücksichtsloses Lügen" wirft die US-Regierung der Deutschen Bank vor. Das Geldinstitut soll mit falschen Angaben über Hyptheken staatliche Garantieleistungen in den USA ergaunert haben. Am Dienstag Nachmittag hat Staatsanwalt Preet Bharara in New York ein Zivilverfahren gegen die Deutsche Bank eröffnet. Dabei geht es sowohl um eine Strafe, als auch um Entschädigungen an den Staat. Letzterer musste bislang bereits 386 Millionen Dollar für geplatzte Hypotheken zahlen – insgesamt könnte der Schaden auf bis zu einer Milliarde Dollar steigen.
Die Anklage gegen die Deutsche Bank ist das bislang größte Verfahren, gegen einen mutmaßlichen spekulativen Nutzniesser der Immobilienblase. Klagen gegen andere Finanzinstitute könnten folgen, liess der Staatsanwalt in New York durchblicken.
Die 48seitige Anklageschrift von New York richtet sich gegen die Deutsche Bank und das von ihr aufgekaufte US-Unternehmen MortgagelT, das auf Geschäfte mit maroden Hypotheken spezialisiert ist. Die Deutsche Bank hat MortgagelT im Jahr 2007, wenige Monate vor dem Platzen der Immobilienblase in den USA, für 430 Millionen Dollar übernommen. Die Anklageschrift bezeichnet MortgagelT als ein Unternehmen, das ein Jahrzehnt lang "minimale Risikoeneinschätzungen und Qualitätskontrollen vernachlässigt hat".
Hypotheken ohne Sicherheiten
Während des spekulativen Booms auf dem US-Immobilienmarkt haben die Deutsche Bank und andere Geldinstitute landesweit massiv Hypotheken an Leute vergeben, von denen klar war, dass sie nicht über genügend Sicherheiten verfügen, um das Geld je zurückzuzahlen. Um sich gegen die Zahlungsunfähigkeit ihrer KreditnehmerInnen abzusichern, nahmen die Banken staatliche Garantieen in Anspruch. Gleichzeitig mit der Verstaatlichung von Risiken verdienten die Banken mit spekulativen Weiterverkäufen der Hyptheken. Zu diesem Zweck bündelten sie die ungesicherten Hypotheken zu neuen Papieren – "mortgage-bonds" - und brachten sie auf den Geldmarkt und an InvestorInnen weltweit.
Die Vergabe von Hypotheken verlief dabei ebenso rasant wie sorglos. Anstatt – wie verlangt – die Kreditwürdigkeit potenzieller HauskäuferInnen vor der Hypothekenvergabe zu prüfen, liess MorgagelT, so die Anklage in New York, "Briefe ungeöffnet und ungelesen" in den Schubladen verschwinden. Und suchte stattdessen nach immer neuen KundInnen. Zwischen 1999 und 2009 hat MortagelT rund 39.000 Hypotheken vergeben. 12.500 seiner KreditnehmerInnen – fast ein Drittel - sind schon lange nicht mehr zahlungsfähig. Ein Teil scheiterte bereits zwei Monate nach Aufnahme der Hypothek.
Die Deutsche Bank redet sich raus
Dennoch nennt eine Sprecherin der Deutschen Bank in New York die Forderungen gegen MortgagelT und Deutsche Bank "unvernünftig und unfair" und kündigt an, dass ihr Geldinstitut dagegen vorgehen werde. Sie fügt hinzu, dass "90 Prozent der inkriminierten Aktivitäten von MortgagelT" aus der Zeit datiert sind, bevor die Deutsche Bank das Unternehmen gekauft habe.
Was sie nicht erwähnt, ist, dass die massive Spekulation mit Hypotheken MortgagelT zu einem interessanten Aufkaufkandidaten gemacht hat. Die Deutsche Bank ist einer der ganz großen Akteure auf dem US-Immobilienmarkt. Ihre Verluste durch das Platzen der Immobilienblase gibt sie mit 4,5 Milliarden Dollar an. Doch zugleich gerät die Deutsche Bank in Folge der Immobilienkrise – insbesondere im vergangenen Jahr - als die Zahl der Zwangsvollstreckungen in die Höhe schnellt.
Deutsche Bank auch politisch im Visier des US-Kongresses
Wegen ihrer dubiosen Immobiliengeschäfte in den USA steht die Deutsche Bank nicht nur unter dem Druck des Zivilgerichtes in New York. Sie ist auch politisch ins Visier des US-Kongresses gerückt. Im April hat ein Komitee des US-Senats die Bank wegen ihrer Praxis des Handels mit gebündelten, maroden Hypotheken kritisiert. Am Dienstag dieser Woche sagt US-Justizminister Eric Holder bei einem Kongress-Hearing in Washington, dass sein Ministerium gegenwärtig den Abschlussbericht des Senatkomitees prüfe. Und über etwaige Konsequenzen nachdenke. Die Börse in Frankfurt am Main reagiert umgehend. Am Dienstag sackt der Kurs der Deutschen Bank um 3 Prozent ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin