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■ Die UN-Politik begünstigt das Entstehen eines GroßserbienWenn Bihać fällt...

Sicherlich ist es kein Zufall, daß weder Journalisten noch unabhängige Beobachter nach Bihać eingelassen wurden. Denn die Schreckensbilder, die gestern und auch heute dort aufzunehmen wären, könnten in unserer von Bildmedien abhängigen Zeit vielleicht doch noch den Sturm der Entrüstung entfachen, der den Politikern Beine machen könnte. Doch ohne diesen öffentlichen Druck wird es wohl keine Hilfe für die bedrängte Stadt und ihre geschundenen Menschen mehr geben. Von dem UN-Sicherheitsrat nicht, der wieder einmal den Schutz der von ihm selbst ausgerufenen „Schutzzone“ verweigert, und auch von der Nato nicht. Denn die einzige Macht, die das Steuer noch herumreißen könnte, die USA, ist in eigene Widersprüche verstrickt und geht nur halbherzig an die Dinge heran. Und die sich schon seit längerem abzeichnende Koalition aus Frankreich, Großbritannien und Rußland hat sich offenbar dafür entschieden, Bihać der serbischen Seite zu überlassen.

Mit dem Fall von Bihać wird ein wichtiger Baustein für Großserbien hinzugewonnen. Denn mit dem Fall der Enklave wird erstens dem Anspruch auf die Wiederherstellung Bosniens in seinen alten Grenzen weiterer Boden entzogen. Die „Demilitarisierung“, sprich: die Übergabe der Enklaven an die serbische Seite, erst kürzlich vom französischen Außenminister Juppé gefordert, macht zweitens weitere „Fortschritte“, und die Teilung Bosnien-Herzegowinas kann dann leichter durchgesetzt werden. Und drittens führen für die serbisch besetzte Krajina wichtige Straßen- und Eisenbahnverbindungen über Bihać nach Banja Luka und Belgrad, die kroatische Krajina ist dann fester an Serbien angebunden.

Bleibt noch die Frage nach der kroatischen Politik. Im Alleingang die Verteidiger von Bihać zu unterstützen, hat Tudjman nicht gewagt. Und die erhoffte Kooperation mit der Nato, das heißt den USA, scheint mit der halbherzigen Aktion Washingtons wieder entschwunden. Zwar wurden schon Mobilisierungen angeordnet, doch ein Angriff zur Rettung Bihaćs ohne die feste Rückendeckung der Nato wäre eine Falle für die kroatische Armee geworden. So wird man sich in Kroatien damit abfinden müssen, daß die durch militärische Aggression verlorenen Gebiete wohl in absehbarer Zeit nicht mehr zurückgewonnen werden. Die dafür von der serbischen Seite in Aussicht gestellte Teilung Bosniens könnte ein Lockvogel sein, die bosniakisch-kroatische Föderation platzen zu lassen. Und in diesem Fall wäre neben Sarajevo auch Zentralbosnien wieder in Gefahr. Die Muslime Bosniens hätten dann wohl keine Chance mehr. Ein Scheißspiel, das Ganze. Erich Rathfelder

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