■ Der Freundschaftsvertrag zwischen Rußland und Ukraine: Die Tür zum Westen bleibt offen
Nicht umsonst hatte der Sprecher des russischen Präsidenten, Sergej Jastrschembski, den Besuch seines Dienstherrn in der Ukraine als „schwierigste und wichtigste Reise“ in diesem Jahr bezeichnet. Ein jahrelanges Gezerre um die Aufteilung und Stationierung der Schwarzmeerflotte sowie Grenzstreitigkeiten haben das Klima zwischen Moskau und Kiew merklich abgekühlt. Und die Ukraine hat dem großen Nachbarn mehr als einmal zu verstehen gegeben, daß enge Beziehungen zu Moskau zwar wichtig sind, aber nicht unbedingt höchste Priorität genießen.
Nicht zuletzt deshalb ist der Freundschaftsvertrag, den beide Präsidenten am Sonnabend im siebten Anlauf nun doch noch unterzeichneten, für Rußland außenpolitisch von herausragender Bedeutung. Denn die so viel gepriesene Integration der GUS-Staaten tritt auf der Stelle.
Die Union Rußlands mit dem treuesten Verbündeten Weißrußland erwies sich zu guter Letzt eher als ein Lehrstück in Geheimdiplomatie denn als ernsthafte Annäherung zwischen beiden Staaten auf verbindlicher Grundlage. Und auch die Sicherheitspartnerschaft mit der Nato, als historischer Sieg bejubelt und als Aufbruch in eine neue Zeit gefeiert, bemäntelt nur notdürftig, daß Rußland restlos über den Tisch gezogen wurde und wohl auch in Zukunft einer weiteren Ausdehnung des westlichen Verteidigungsbündnisses wenig entgegensetzen kann. Die Äußerungen von Spitzenpolitikern der baltischen Staaten haben deutlich gemacht, daß die ehemaligen Zwangsverbündeten Moskaus weiter an der Option Nato-Beitritt festhalten und nicht geneigt sind, sich auf unbestimmte Zeit vertrösten zu lassen.
Für die Ukraine bedeutet der jetzt geschlossene Vertrag, daß ihre Grenzen anerkannt werden. Dadurch dürfte auch den Nationalisten in Rußland, die immer noch die Krim als festen Bestandteil Rußlands reklamieren, der Boden entzogen werden. Allerdings sollte Moskau die besiegelte Freundschaft nicht mit einer Neuorientierung der ukrainischen Außenpolitik verwechseln. Die Unterzeichnung einer besonderen Charta mit der Nato in der vergangenen Woche signalisiert deutlich, daß sich Kiew eine Tür nach Westen offen lassen will. Daran ändert auch der Passus im Vertrag nichts, der gegen den Partner gerichtete Vertragsabschlüsse mit Dritten verbietet. Wie auslegungsfähig solche Klauseln sein können, haben die letzten Wochen zur Genüge gezeigt. Barbara Oertel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen