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Die Stunde des Umberto Bossi kommt noch

■ Zustimmung für die Lega Nord jetzt auch außerhalb der Lombardei

So ganz verstand das Lega-Volk seinen Führer nicht. Mit aschgrauem Gesicht erschien Umberto Bossi, Chef der Lega Nord, vor den Fernsehkameras und brummte: „Die Norditaliener stimmen gegen sich selbst.“ Das war gleich nach Schließung der Wahllokale und den ersten Ergebnissen. Da schnitt die Lega zwar besser ab als noch vor zwei Jahren, blieb aber bei sieben Prozent stecken.

Doch dann kam es Schlag auf Schlag: Mit jeder Hochrechnung kletterte die Lega, gegen Mitternacht lag sie bei zehn Prozent, am Ende erhielt sie für den Senat wie für das Abgeordnetenhaus an die elf Prozent. Vor allem aber war sie in Oberitalien die stärkste Partei geworden: mit 21 Prozent vor der Forza Italia Silvio Berlusconis und den Linksdemokraten. Doch Umberto Bossi erschien nicht mehr vor den Kameras. Nicht einmal seine sonstigen Lautsprecher und Interpreten ließen sich sehen.

Den Mächtigen in Rom den Föderalismus abtrotzen

Erst am Montag wurde bekannt, was hinter dem ostentativen Schweigen steckt. Erstens konnte sich Bossi trotz des Zuwachses nicht so ganz über das Ergebnis freuen, weil die Überlegenheit in Oberitalien weniger in den „Stammlanden“ der Bewegung und Bossis Heimat, der Lombardei, erreicht wurde, sondern im Veneto und dem Piemont. Was für Bossi heißt, daß er sich alsbald auf Herausforderer aus diesen Regionen einstellen muß. Derart, daß er bereits überprüfen läßt, ob ihm nicht einige mißgünstige Unternehmer außerhalb der Lombardei die Stimmen zugeschanzt haben, um dann die Herrschaft über die Lega zu übernehmen.

Zweitens ist sich der Lega-Chef ganz und gar nicht schlüssig, was er nun aus dem Wahlausgang machen soll. Einerseits braucht ihn die Links-Allianz derzeit nicht unbedingt – Olivenbaum und Neokommunisten haben zusammen die absolute Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments. Doch Bossi weiß um die Brüchigkeit der Links-Vereinigung. Spätestens bei den Haushaltsberatungen im Herbst wird es mächtigen Zoff gegeb, weil Rifondazione comunista versuchen wird, programmatische Vorstellungen durchzusetzen. Und die werden die „Gemäßigten“ um den Olivenbaum-Chef und designierten Ministerpräsidenten Romano Prodi auf keinen Fall durchgehen lassen können. Da käme Bossis Stunde. Dann könnte er den Mächtigen in Rom endlich den Föderalismus abtrotzen, den sie ihm bisher verweigert haben.

Drittens bleibt noch die Frage, ob er sich nach diesem Votum auf diese Warteschleife einlassen soll. Bei einer derartigen Bestätigung im Norden ließe sich alles möglicherweise auch von außerhalb vorantreiben. Vor einem Jahr hat Bossi ein „Parlament des Nordens“ ins Leben gerufen, mittlerweile gar einen Verfassungsentwurf für eine „Republik der Po- Ebene“ ausarbeiten lassen. Die nationale Einheit, so streuen seine Mitarbeiter, sei mit dieser von ihnen geradezu als plebiszitär empfundenen Zustimmung im Norden „gestorben – ganz gleich, wer in diesem Bonzenparlament in Rom regieren wird“.

Doch ganz so forsch will Bossi nun auch wieder nicht vorpreschen; schließlich würden seine Anhänger gerne wieder einmal ein paar Staatsstellen zugeschanzt bekommen. Wie vor zwei Jahren, als er mit Berlusconi in die Regierung eingezogen war. Und diese Leute braucht er, wenn es zur Auseinandersetzung mit den Leuten aus dem Veneto und aus Piemont kommen sollte. Armer Umberto Bossi. Sein Sieg wird ihm mehr Magengeschwüre bereiten, als es jede Niederlage vermocht hätte.

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