Die Streitfrage: Ist 08/15 besser?
Höher! Schneller! Weiter! Warum eigentlich? Unser Leben besteht zum Großteil aus Durchschnitt, aus monotonem Mittelmaß.
S tolze 19,5 Kilogramm schwer war die „leichte“ Version des Maschinengewehrs 08 aus dem Jahr 1915. Das MG 08/15 also war ein wahrhaftig schweres Eisen, das von bis zu sechs Mann bedient wurde.
Neben seinem hohen Gewicht hatte es weitere Tücken: Das Standard-MG des deutschen Heeres im ersten Weltkrieg war schwer zu bedienen und von schlechter Qualität, in den Fabriken fehlte es an Material und Know-how. Dennoch mussten die Truppen mit dem MG 08/15 im Arm marschieren, sie wurden gedrillt, jeden Tag die gleiche Monotonie.
Der militärische Ursprung ist heute kaum noch bekannt, aber Nullachtfünfzehn hat seine negative Konnotation behalten und steht für die Langeweile im Alltäglichen, für Tristesse und fehlenden Glanz, für Stupides und absolut Durchschnittliches. Also all das, was niemand sein, niemand tun und keiner haben will.
Denn das eigene Handeln soll einen Unterschied ausmachen, man strebt nach Größerem, Höherem, und wer das nicht tut wird von oben herab verständnislos beäugt. Keiner will Durchschnitt sein, der Durchschnitt ist ein statistischer und emotionaler Wert non grata.
Die gesellschaftliche Intoleranz gegenüber dem Mittelmaß kann weitreichende Folgen haben, über Ausgrenzung, Sinnkrisen, persönlichem Stress bis zu Burnout. Dabei sollte eigentlich klar sein: Realistisch gesehen ist ein Großteil des eigenen Seins und Tuns 08/15. Das Auto vermutlich VW, das Haus vermutlich Reihe, der Job vermutlich unspektakulär. Wie erträgt man also, dass 99% des eigenen Lebens Standard ist?
Muss man sich von dem Gedanken lösen, dass der Mittelmaß etwas schlechtes ist? Dass man nichts besonderes ist und wird und dass sich damit auch ein gutes Leben führen lässt? Ein besseres? Daher stellt sich die taz.am wochenende im August 2015, 08/15 also, folgende Frage:
Ist 08/15 besser?
Diskutieren Sie mit! Wir wählen unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlichen sie in der taz.am wochenende vom 22./23. August 2015. Ihr prägnantes Statement sollte nicht mehr als 400 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und den Kontaktdaten der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns bis Mittwochabend eine Mail an: streit@taz.de
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