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Die Streitfrage„Damit wäre den Griechen geholfen“

Ist es jetzt für uns alle Pflicht, Urlaub in Griechenland zu machen um, den Menschen und der Wirtschaft zu helfen?

Urlaub machen und dabei ein ganzes Land retten: Auf nach Griechenland! Foto: dpa

Jetzt gilt also das Euro-Gruppentreffen am Samstag als vorerst letzte Möglichkeit für die griechische Regierung, um eine Einigung mit ihren Gläubigern zu finden. Nicht erst seit dem EU-Gipfel fragen sich viele, ob Griechenland finanziell überhaupt noch zu retten ist.

Dabei könnten die Bürger der Union dem hoch verschuldeten Land helfen: Die Tourismusindustrie ist Griechenlands wichtigster ökonomischer Sektor. Und Europa fährt jetzt in den Urlaub. Ist es deshalb unsere solidarische Pflicht, Urlaub in Griechenland zu machen, haben wir in der Streitfrage der aktuellen taz.am wochenende gefragt.

So ein Urlaub sei mehr als nur solidarische Hilfe, schreibt der deutsch-griechische Journalist Michalis Pantelouris: Es sei ein Friedensakt, jetzt nach Griechenland zu fahren: „Die Probleme Griechenlands und der kontraproduktive Lösungsansatz des offiziellen Europa haben die Atmosphäre zwischen den Ländern vergiftet. So wird jedes Treffen zwischen Menschen zum Friedenswerk. Man sollte also nicht nur in Griechenland Urlaub machen, sondern sich dort auch verlieben.”

Ein gesegneter Ferienort

Nein, meint dagegen der griechische Krimiautor Petros Markaris: „Man kann Menschen keine ‚griechische Urlaubspflicht‘ aufzwingen. Griechenland und vor allem die griechischen Inseln sind ein gesegneter Ferienort. Dass damit den Griechen in einer schwierigen Zeit geholfen wird, steht außer Frage.“

Auch die Geschäftsführerin des Reiseveranstalters JT Touristik, Jasmin Taylor, will niemanden zum Urlaub an einem bestimmten Ort verpflichten. Und „politische Gründe sollten nie ein Grund sein, in einem Land Urlaub zu machen“, sagte sie der taz.am wochenende. Im Falle Griechenlands reichten als Argumente allein schon die traumhaften Inseln, die Kultur des Landes und die Gastfreundschaft der Griechen.

taz.am wochenende

In Griechenland hat Syriza die unangefochtene Macht. Sie sind oppositionelle Regierende, oder regierende Oppositionelle. Wie die neue Rolle die Partei prägt, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 27./28. Juni 2015. Außerdem: Ratten leben in unseren Kellern, Träumen und Büchern. Warum ekeln wir uns vor diesem Tier?. Und: Ausgerechnet in Hoyerswerda fliegt ein Molotowcocktail auf eine Turnhalle voller Flüchtlinge. Diese Stadt hat wohl gar nichts gelernt. Oder doch?. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Dass diese Gastfreundschaft gegenüber deutschen Urlauben abhandengekommen ist, davor fürchtet sich manch ein Pauschaltourist. taz-Leserin Maria Estl hat jedoch andere Erfahrungen gemacht: „Ich war im Mai eine Woche dort und habe eine wunderschöne Rundreise gemacht. Die Griechen waren so freundlich wie immer und wie ich sie in Erinnerung habe“, antwortete sie auf unsere Frage in der taz.kommune auf Facebook.

Die Krise und der Mensch

Für die Reisejournalistinnen Karolin Langfeldt und Luise Müller-Hofstede ist jetzt auch genau der richtige Zeitpunkt, um an die Ägäis zu fahren. „Ein Urlaub in Griechenland ist eine gute Gelegenheit, seine Solidarität mit den Griechen zu zeigen und sich in Erinnerung zu rufen, dass die Krise kein abstraktes politisches Gebilde ist, sondern täglich Menschen in die Armut treibt”, schreiben sie in der taz.am wochenende. Denn die Menschen seien es, die unter der Krise am meisten leiden. Von einer Urlaubspflicht wollen sie trotzdem nicht sprechen: „Urlaub sollte nie Pflicht sein.”

In der taz.am wochenende vom 27./28. Juni 2015 diskutieren über die Frage, ob Urlaub in Griechenland jetzt Pflicht sei, außerdem die Fraktionsvorsitzende der Linken im Europaparlament, Gabi Zimmer, die Historikerin Linde-Marie Gunther und taz-Leserin Beate Salow, die sich aus Kreta gemeldet hat.

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2 Kommentare

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  • Eine lustige Lektion in Sachen Zynismus durch die taz.

    Klasse.

    • @Eric Manneschmidt:

      Ich bezweifle, daß den meisten ihre Sicht der décadence überhaupt bewusst wird. Ist ja schließlich selbstverständlich mindestens einmal im Jahr ausgedehnt ins Ausland zu reisen, nicht?