■ Cash & Crash: Die South Sea Bubble
Berlin (taz) – Überall herrscht Rezession – und die Aktienmärkte boomen. Klarer Fall: Um die Konjunktur wieder zu beleben, werden die Zinsen zurückgeschraubt. Bei niedrigen Zinsen spricht vieles für eine Geldanlage in Aktien: Für Anleger sind niedrig verzinste Anleihen dann nicht attraktiv, und Unternehmen können bei niedrigen Zinsen investieren; es besteht also die Hoffnung, daß es mit ihnen aufwärts geht.
In den USA hat der Dow- Jones-Aktienindex schon 23mal in diesem Jahr seinen eigenen Höchststand überboten. Ein echter Bulle – wie Börsianer einen boomenden Aktienmarkt nennen. Jedoch zeigt der Bulle in der Wall Street gewisse Alterserscheinungen. Die Wirtschaft zeigt keine Anzeichen der Erholung. Die Aktien seien überbewertet, das Ganze sei nur eine spekulative Blase, verkünden manche. Sogar das häßliche Wort Crash ist wieder zu hören. Wenn die Kurse nur langsam ins Rutschen geraten – halb so schlimm, dann kann man die Aktien wieder verkaufen; die kleinen Verluste dabei sind verschmerzbar, wenn man vorher ein Vielfaches an Gewinnen mitgenommen hat. Aber wenn die Kurse urplötzlich kollabieren... – ein Horror für Anleger.
Die Auguren überbieten sich nun mit Theorien, wie denn der Crash vorherzusagen sei. Da kann man haufenweise Indizes berechnen: das Verhältnis von Dividende zu Aktienkurs, von Aktienkurs zu Rendite (also Dividende plus Kursgewinn) oder von Aktienpreis zum Unternehmenskapital. Manche versuchen Lehren zu ziehen aus früheren Kursstürzen. Was zum Beispiel kann man aus der Erfahrung der Londoner South Sea Bubble von anno 1720 lernen? Damals fand ein Run auf Anteilsscheine an der englischen South Sea Company, die vor allem mit Sklaven handelte, statt. Der Run endete dann im wahrscheinlich ersten Börsencrash. Es fruchtet aber nichts, der Crash verhält sich so unberechenbar wie eh und je; andernfalls wär's wohl auch kein Crash.
Dem letzten Schwarzen Freitag im Oktober 1987 ist jedenfalls ein ähnlicher Aktienboom wie jetzt vorausgegangen. Nun bangen Anleger, ob dieser Oktober wieder einen Crash bringt. Robert Shiller, Börsenkoryphäe von der Universität Yale, hat wahrscheinlich den sichersten Tip: Künftige Kursentwicklungen könnte man am besten aus den Ansichten anderer Anleger ablesen. Und die seien zu 50 Prozent der Ansicht, daß die Aktien überbewertet seien und fallen müßten. Bei dieser eindeutigen Tendenz dürften dann ja keine Fragen mehr offen sein. Nicola Liebert
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