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Die Seniorenunion wird 20Opas erzählen vom Sieg

Seit der Rentendebatte fühlen sich die Alten in der Union wieder im Aufwind - ohne die Senioren lassen sich ja schließlich auch keine Wahlen gewinnen.

Hier spricht der Alte: Seniorenboss Otto Wulff. Bild: dpa

Die Union in Zahlen

Die Seniorenunion: 1988 gegründet, heute rund 58.000 Mitglieder

Die Junge Union: 130.000 Mitglieder. Diese Zahlen geben allerdings nicht die realen Kräfteverhältnisse in der Partei wieder, weil für die beiden Organisationen - anders als in der SPD -

ein gesonderter Beitrittsantrag erforderlich ist.

CDU und CSU insgesamt: mehr als 700.000 Mitglieder

Die CDU: Im Jahr 2006 waren

46 Prozent der Mitglieder über

60 Jahre alt, nur 6 Prozent jünger als 29. Durchschnittsalter ist 56.

Die Wählerschaft: Der Anteil der Senioren beträgt schon jetzt ein Drittel. Die Wahlbeteiligung der 60- bis 70-Jährigen betrug bei der letzten Bundestagswahl 85 Prozent, bei den unter 30-Jährigen nur 68,8 Prozent.

Sie fallen auf, die uniform geschniegelten jungen Männer von der Security, in der bunten Schar der grauhaarigen, glatzköpfigen, schlohweißen Senioren der Christlich-Demokratischen Union. "Die Jungen bewachen uns", sagt ein Delegierter aus dem Norden. Er meint es wörtlich, deutet auf einen der Bewacher, der gerade die Handtasche einer Besucherin nach Messern oder Molotowcocktails durchwühlt.

Als Bewacher könnte auch die kleine Schar von CDU-Nachwuchsleuten durchgehen, die in der ersten und letzten Reihe Platz genommen haben. Vorne müssen sich Philipp Mißfelder, Bundesvorsitzender der Jungen Union, und Gottfried Ludewig, Chef des Studentenverbandes RCDS, mit zwei Randplätzen neben den Granden von einst begnügen. Ganz hinten haben sich noch ein paar Altersgenossen der beiden in den Saal geschmuggelt, einer davon mit Kleinkind auf dem Arm.

Es ist der zwanzigste Geburtstag der Senioren-Union, der an diesem Sonntag im Lichthof der Berliner CDU-Zentrale begangen wird. Ein Ereignis, das bis vor wenigen Wochen noch kein politischer Beobachter im Blick hatte. Seit aber der junge Bundestagsabgeordnete Jens Spahn über die jüngste Rentenerhöhung schimpfte und deshalb vom Vizechef der Senioren-Union mit Parteiausschluss bedroht wurde, seit der frühere Bundespräsident Roman Herzog vor einer "Rentnerdemokratie" warnte, in der "die Älteren die Jüngeren ausplündern" - seitdem fragt man sich besorgt: Liegt in diesem Saal die Zukunft der Nation?

Bloß die Klappe halten: JU-Chef Philipp Mißfelder. Bild: ap

In der ersten Reihe sitzen einige Herren, die noch vor kurzem kaum jemand zu den Hoffnungsträgern der Union gezählt hätte. Der frühere Generalsekretär Heiner Geißler ist da, sein damaliger Bundesgeschäftsführer Peter Radunski, auch der einstige Berliner Bürgermeister Eberhard Diepgen. Alles Leute, die in der neuen CDU Angela Merkels lange Zeit als hoffnungslos gestrig erschienen. Leute aber auch, die noch wussten, wie man für die Union Wahlen gewinnt - wobei allerdings, besonders im Falle Berlins, ein riesiger Schuldenberg übrig blieb.

Bereits am vergangenen Mittwoch war die Generation Geißler am selben Ort bei ihrer Parteivorsitzenden Angela Merkel zu Gast. Auch Norbert Blüm kam, Klaus Töpfer, Kurt Biedenkopf, Bernhard Vogel, Lothar Späth. Merkel suchte den Rat der Alten, weil sie zum sechzigsten Jahrestag der Währungsunion eine Grundsatzrede zur sozialen Marktwirtschaft halten will. Es soll darum gehen, wie sich das Erfolgsmodell Ludwig Erhards in einer globalisierten Welt fortschreiben lässt. Von ihrem Abschied von Erhard, den Merkel mit der Formel von der "neuen sozialen Marktwirtschaft" vollzog, wird sie bei dieser Gelegenheit wohl wiederum Abschied nehmen.

Aufgeschreckt war Merkel von Wahlanalysen, die das Gewicht der Senioren für künftige Wahlausgänge betonten. Eine Erkenntnis, die für alte Strategen wie Geißler oder Radunski allerdings wenig überraschend kommt. Schon die Gründung der Senioren-Union sei "das Ergebnis strategischer Überlegungen" gewesen, sagt Geißler.

Ebenso aufgeschreckt war die Kanzlerin dann aber auch vom Aufstand der Jungen gegen die Rentenerhöhung. Nicht nur dass sie den Kritiker Spahn gegen die Angriffe aus der Senioren-Union verteidigte. Sie lud auch zum Altentreffen am vorigen Mittwoch eilig einige Junge hinzu und verkaufte die Runde als Auftakt eines Initiativkreises "Zusammenhalt der Generationen".

So müssen jetzt JU-Chef Mißfelder und der Senioren-Vorsitzende Otto Wulff gemeinsam auf einer Postkarte posieren und symbolisch an einem Strang ziehen. Mißfelder ist das Feindbild der Senioren, seit er vor fünf Jahren mit der Bemerkung berühmt wurde, 85-Jährige brauchten keine künstlichen Hüftgelenke auf Kosten der Beitragszahler mehr. Jetzt ist er als "Ehrengast" bei der Jubiläumsfeier der Senioren zugegen, Wulff lobt die "erfreuliche, ersprießliche, vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit den Jungen und beteuert, die Senioren wollten "keine Altenrepublik". Reden darf der "Ehrengast" trotzdem nicht, die Kommunikation gestaltet sich auch in den Tischgesprächen reichlich einseitig. Wer ohnehin die Macht hat, kann den Kampf der Generationen getrost absagen.

Erst Geißler bringt aber in seiner Festrede die fürsorgliche Vereinnahmung der Jungen durch die Alten zur Vollendung. Den Generationenstreit um Staatsverschuldung und Demografie kanzelt der 78-Jährige als zweitrangige Frage nach "politischen Techniken" ab, die von den wichtigen "Inhalten" ablenke. Zur Demografiedebatte zitiert Geißler den Hollywood-Film "Soylent Green", wo nutzlose Alte in Einschläferungszentren umgebracht und zu Fastfood verarbeitet würden.

Die "Inhalte", das ist für Geißler der Kampf gegen den entfesselten Kapitalismus, eine Herausforderung, "die Alte und Junge gleichermaßen betrifft". Doch immer wenn Geißler auf praktische Beispiele zu sprechen kommt, wendet er seinen Blick zu Mißfelder, und stets präsentiert sich ihm der wirtschaftsliberale Furor in Gestalt der Jungen.

Am häufigsten tritt das Problem, laut Geißler, in Gestalt 35-jähriger Frauen auf: als Geschäftsführerin eines Krankenhauses, "die außer Betriebswirtschaft noch nie was gelernt hat", oder als "Case-Managerin" der Arbeitsagentur, die den 55-jährigen ehemaligen Opel-Arbeiter aus seiner angeblich zu großen Wohnung wirft. Ein alter Mann, der sich von einer jungen Frau belehren lassen muss: das scheint für die Generation Geißler noch immer der Inbegriff verlorener Würde zu sein. Der gute alte rheinische Kapitalismus hatte eben auch seine patriarchalischen Seiten.

Um Würde geht es am Ende auch in der Wirtschaftsdebatte, um die Lebensleistung einer ganzen Generation. "Wir haben das Land nicht aufgebaut, damit wegen einer falschen Wirtschaftsideologie alles den Bach runtergeht", sagt Geißler. Wenn er den "grauenhaften Absturz von 44 auf 35 Prozent" bei der jüngsten Bundestagswahl beklagt, dann schwingt auch mit: Wir haben die Union nicht mit der sozialen Marktwirtschaft groß gemacht, damit die Neoliberalen sie jetzt vor die Wand fahren. Die Union, sagt Geißler, sei "von der Anlage her eine 50-Prozent-Partei". Das heißt im Umkehrschluss: Wenn sie bei Wahlen nicht mal mehr 40 Prozent erzielt, macht die Parteiführung etwas Grundlegendes falsch.

Was früher einmal das Erfolgsrezept der Union gewesen ist, das verstehen die Jungen eben nicht. Deshalb bricht die Debatte über die richtige Wirtschaftspolitik, die in der Partei nicht geführt wird, jetzt entlang der Generationenlinie auf. Generös erklärt Geißler, er wolle über Jungpolitiker wie Mißfelder und Spahn nicht "den Stab brechen", bloß weil sie einmal etwas Falsches gesagt hätten. Dazu habe jeder Mittzwanziger das Recht.

Allerdings dürfe man ihnen dafür nicht auch noch auf die Schulter klopfen, fügte er hinzu. Das war auf die Kanzlerin gemünzt, die Spahn im CDU-Vorstand ausdrücklich verteidigt hatte. Mit Merkel hat Geißler allerdings noch Großes vor: Mit ihrer Klimapolitik und künftig auch mit dem Kampf für eine Börsenumsatzsteuer soll der Heldin des G-8-Gipfels die Zähmung des globalen Kapitalismus gelingen. Geißlers Billigung findet auch Merkels Menschenrechtspolitik, ganz im Gegensatz zur devoten Chinapolitik des Olympischen Komitees, eines "leicht senilen Altherrenclubs".

Konrad Adenauer habe noch gewusst, schließt Geißler, dass nicht nur die Zahlen zählen, "dass in der Politik zwei plus zwei nicht immer vier ist". In der Tat war es Adenauer, der 1957 die "dynamische Rente" durchsetzte und damit das Konzept eines auskömmlichen, arbeitsfreien Lebensabends erst einführte. Die Reform verhalf der Union damals zur einzigen absoluten Mehrheit, die eine Fraktion jemals im Deutschen Bundestag besaß. Norbert Blüm fügte 1985 jenes verlängerte Arbeitslosengeld für Ältere hinzu, über dessen Abschaffung die erste rot-grüne Bundesregierung zwanzig Jahre später stürzte.

Dass den Jüngeren mangels Lebenserfahrung die tiefere Einsicht in diese Zusammenhänge fehlt, quittieren die Alten mit patriarchaler Nachsicht. Jens Spahn sei nicht das Problem, doziert der Senior aus dem Norden, als nach der Veranstaltung, Sonntagnachmittag um vier, Wein und Bier zu einem üppigen warmen Buffet gereicht werden. Schlechter ist er auf Roman Herzog und dessen Wort von der "Altenrepublik" zu sprechen. Das sei "ein alter Mann, der unbedingt wieder in die Medien kommen will".

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