: Die Schlange wird länger
Seit 1990 waren noch nie so viele BerlinerInnen arbeitslos wie in diesem November: 290.000. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Im Januar wird wahrscheinlich die 300.000-Marke übersprungen
von RICHARD ROTHER
Die Lage auf dem Berliner Arbeitsmarkt hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Seit 1990 waren im November nicht mehr so viele Menschen arbeitslos gemeldet wie in diesem Jahr. Derzeit sind rund 290.000 Berliner und Berlinerinnen offiziell arbeitslos, das sind 3.000 mehr als im Oktober und 17.000 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg damit innerhalb eines Jahres um 1,1 Prozentpunkte auf 17,1 Prozent.
Hauptursache für die Misere ist die Rezession der Berliner Wirtschaft. Im ersten Halbjahr dieses Jahres ging das Berliner Bruttoinlandsprodukt um 0,7 Prozent zurück, bundesweit waren es nur 0,4 Prozent. Experten der Wirtschaftsverwaltung machen dafür neben Einbußen im verarbeitenden Gewerbe und am Bau auch die Umsatzrückgänge im Handel und Gastgewerbe verantwortlich. Hinzu gekommen seien die Sparanstrengungen der öffentlichen Hand. Die Nachfrage nach Industrieprodukten sei „weitgehend zurückhaltend“ geblieben. Zuletzt habe sich aber die Auftragsvergabe in der Industrie positiv entwickelt.
Der Rückgang der Berliner Wirtschaftstätigkeit ist jetzt auf dem Arbeitsmarkt durchgeschlagen. Die Unternehmen entlassen eher und halten sich bei Neueinstellungen noch mehr als ohnehin zurück. Gerade mal 7.000 offene Stellen waren im November den Arbeitsämtern gemeldet, ein Monat zuvor waren es noch 8.000.
Von der zunehmenden Arbeitslosigkeit sind alle Berufsgruppen betroffen. Besonders schwierig ist nach wie vor die Lage im Baugewerbe; viele Arbeitslose gibt es aber auch in den Verwaltungs- und Büroberufen, den Warenkaufleuten, den Sozial- und Erziehungsberufen und den Reinigungsberufen. Die Krise in der Internetbranche macht sich zudem durch die zunehmende Zahl von Arbeitslosen in unternehmensnahen Dienstleistungen bemerkbar; auch Journalisten spüren den Stellenabbau in Verlagen und Redaktionen.
An der regionalen Verteilung der Arbeitslosigkeit hat sich indes wenig verändert. Am höchsten ist die Arbeitslosenquote in den Innenstadtbezirken, während sie im direkten Berliner Umland deutlich unter dem Berlin-Brandenburger Durchschnitt (17,0 Prozent) liegt. So beträgt die Quote im Arbeitsamtsbezirk Berlin-Mitte 21,6 Prozent; im gesamten Berliner Umland liegt sie bei 13,1 und in der Dienststelle Potsdam bei 10,9 Prozent.
Im kommenden Jahr ist kaum Besserung zu erwarten – im Gegenteil. Im Januar dürfte die Zahl der Arbeitslosen in Berlin erstmals über 300.000 steigen, erwartet der Sprecher des Landesarbeitsamtes, Klaus Pohl. Selbst wenn die Konjunktur anspränge, würde noch ein halbes Jahr vergehen, bevor sich dies auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar mache.
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