: Die Schicht beginnt in der Streikzentrale
Seit 49 Tagen sind Mitarbeiter des Caterers Gate Gourmet am Düsseldorfer Flughafen im Ausstand. Sie wollen durchhalten, bis das Angebot stimmt
AUS DÜSSELDORF SUSANNE GANNOTT
An der Toreinfahrt zur Halle 8a des Düsseldorfer Flughafens sind zwei Zelte aufgebaut. In dem einen, schwarz-weiß gestreift und halb offen, stehen zwei kräftige junge Männer mit gelben Leuchtlätzchen vor dem Bauch und reiben sich mit den behandschuhten Händen die Arme warm. Ab zu an schauen sie auf die andere Straßenseite. Das ist ihr Job. Die Security-Männer müssen aufpassen, dass die von gegenüber nicht das Tor blockieren. Dort, in einem mit rot-weißen Gewerkschaftsfahnen geschmückten Campingzelt, sitzen die Streikenden von Gate Gourmet.
Im Streikzelt bollern zwei Gasöfen. Das Radio dudelt, auf den Holzbänken entlang der Zeltwände liegen Sitzkissen, der Adventskranz auf dem Biertisch verbreitet ein wenig Heimeligkeit. Hier kann man es aushalten – auch wenn der Streik nun schon 49 Tage dauert, auch wenn draußen die Temperaturen gegen Null gehen. Gut möglich, dass in den Blicken der frierenden „schwarzen Männer“ von gegenüber auch ein wenig Neid mitschwingt.
Die Wolldecke am Zelteingang hebt sich. Mit einem Schwall kalter Luft kommen neue Kollegen in die Streikzentrale. 11 Uhr, Schichtwechsel. Yildirim Kibar, die seit 1992 in der Küche des Flughafen-Caterers arbeitet, grüßt jeden per Handschlag, nimmt sich einen Kaffee und macht auf der Streikliste ein Häkchen hinter ihren Namen. „Hier tragen sich die Leute für die Streikschichten ein“, erklärt Diana Hafke, Gewerkschaftssekretärin von der NGG. „Wir müssen ja auch nachts den Posten besetzen.“ Bislang „arbeiten“ die Ausständler in vier Schichten à sechs Stunden. „Aber ab Montag gehen wir auf fünf Stunden – wegen der Kälte“, sagt Uwe Mrasek. Ihn, der seit 15 Jahren als Fahrer im Betrieb arbeitet, haben die Kollegen zum „Pressesprecher“ ernannt.
Routiniert erzählt der Mitdreißiger mit dem rotblonden Dreitagebart vom Alltag der Streikenden. „Natürlich ist die Langeweile ein großes Problem.“ Andererseits gebe es schon immer etwas zu tun: „Es muss Kaffee gekocht und sauber gemacht werden, dann werden in den Abflughallen auch mal Flugblätter verteilt.“ Und fast jeden Tag komme Besuch, erzählt er. Die Betriebsräte von anderen Belegschaften gäben sich quasi die Klinke in die Hand, um Solidarität zu zeigen und einen Scheck für die Streikkasse abzugeben. „Das ist der längste Streik in der Geschichte der NGG“, sagt Mrasek nicht ohne Stolz. Er betont, wie die Anteilnahme aus aller Welt den Streikenden helfe, durchzuhalten. „Die Stimmung hier ist sehr, sehr gut. Um nicht zu sagen ausgezeichnet.“ Und natürlich werde man durchhalten, bis die Geschäftsführung nachgibt und die Forderung nach 4,5 Prozent mehr Lohn erfüllt. „So wie wir hier stehen, stehen wir fest, bis wir einen ordentlichen Abschluss haben.“
Dass aufgeben nicht in Frage kommt, meinen vor der Presse natürlich alle. „Ich bleibe hier notfalls bis zum Sommer sitzen“, sagt John Pownall, seit 1988 im Betrieb und Schichtleiter beim Transport. Der gebürtige Engländer gibt sich kämpferisch und optimistisch, dass die Geschäftsführung irgendwann nachgibt. Auch wenn die bisherigen Verhandlungen nicht diesen Eindruck machten. „Die müssen sich bewegen“, glaubt er. Das hofft auch Idris Polat, 42 Jahre, vier Kinder. Als Alleinverdiener sei es für ihn schon schwer, seine Familie mit den rund 320 Euro Streikgeld pro Woche durch zu bringen. „Aber lieber bleib ich noch zwei bis drei Monate hier draußen, bevor alles noch schlimmer wird.“ Schon jetzt verdiene er weniger als vor zwei Jahren, dabei werde alles immer teurer. „Wir müssen einfach gewinnen“, macht er sich Mut.
Ob es soweit kommt und die Geschäftsführung doch noch einlenkt, scheint allerdings nicht ausgemacht. Schließlich sind von 120 Mitarbeitern bei Gate Gourmet Düsseldorf „nur“ 80 im Ausstand. Nach anfänglichen Schwierigkeiten habe es die Firma daher inzwischen geschafft, die Arbeit neu zu organisieren, gibt Uwe Mrasek zu. Trotzdem, behauptet er, gebe es „wenig Groll“ gegen die „Streikbrecher“. Wenn er sich da mal nicht täuscht. „Das wird hart, wenn wir wieder reingehen. Die Atmosphäre zwischen uns und denen wird eisig sein“, glaubt Yildirim Kibar. Aber die junge Türkin hätte offensichtlich sowieso nichts dagegen, wenn der Streik noch ein wenig dauern würde. „Mittlerweile ist das hier die reine Zwangsarbeit. Ich kann auch zweimal putzen gehen, da habe ich dasselbe Geld.“