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Archiv-Artikel

Die Schia-Gruppen

Von KEG

Es gibt keine verlässliche Volkszählung, aber nach Schätzungen gehören 60 bis 70 Prozent der irakischen Bevölkerung der schiitischen Glaubensrichtung an. Der Süden ist fast ausschließlich schiitisch. Dort liegen zwei der wichtigsten schiitischen Heiligtümer: in Kerbela das Grab Husseins, des Enkels des Propheten Mohammed, der als wichtigster Märtyrer gilt, und der Schrein von dessen Vater Ali, dem Begründer des Schiitentums, im benachbarten Nadschaf.

Während Kerbela als wichtigster Pilgerort gilt, befindet sich in Nadschaf das wichtigste spirituelle Zentrum der Schiiten. In der Stadt mit ihren etwa 600.000 Einwohnern ist die Hausa Ilmija beheimatet, eine Art Rat der obersten schiitischen Würdenträger und die wichtigste schiitische Rechtsautorität im Land. Die Mitglieder der Hausa sind traditionell eher spirituelle Religionsinterpreten als politische Führer. Heute folgen ihnen aber oft politische Bewegungen.

Der führende Rechtsgelehrte Nadschafs ist der moderate Ajatollah Ali Sistani. Er gilt als irankritisch und als jemand, der sich mit den jeweiligen Machthabern arrangiert. Dabei propagiert er, dass die geistigen Führer sich aus der Tagespolitik heraushalten sollen. Bei der US-Invasion rief er allerdings seine Glaubensbrüder auf, nicht gegen die Amerikaner zu kämpfen. Noch heute heißt er diese willkommen, fordert aber, dass sie nicht zu lange bleiben.

Radikaler ist Muqtada al-Sadr (großes Bild), der 30-jährige Sohn des hoch angesehen Imams Mohammed Sadiq Sadr zurück, der 1980 von Saddams Regime exekutiert worden war. Die Sadr-Bewegung hat vor allem viele Anhänger in den schiitischen Armenvierteln. Ihr wird eine Tendenz zu Intoleranz und Autoritarismus nachgesagt.

Kritisch ist sie vor allem gegenüber den jetzt wieder aus dem Iran zurückgekehrten Vertretern des Sciri, des Obersten Rats der Islamischen Revolution im Irak. Er wird von einem anderen Hausa-Mitglied, Scheich Mohammed Baqr al-Hakim (nebenstehendes Foto) angeführt. Er kehrt am Wochenende nach 23 Jahren Exil aus dem Iran zurück. Seine Familie soll iranischen Hardlinern um Ali Chamenei nahe stehen. Sciri war aber bisher die einzige schiitische Gruppe, die eine wenngleich wenig prominente Delegation zu einer von den Amerikanern gesponserten Konferenz zur Schaffung einer Interimsregierung entsandt hatte.

Dem Sciri entsprungen, aber inzwischen als separate Organisation wirbt die Dawa-Partei für einen islamischen Staat. Auch sie gilt als kritisch gegenüber dem iranischen Modell. KEG