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■ Die Rundfunkgebühren sollen ab 1997 steigen. Können ARD und ZDF allein durch mehr Geld gerettet werden?Gute Zeiten oder schlechte Zeiten

Helmut Thoma (RTL) hält die Öffentlich-Rechtlichen für eine riesige „Geldvernichtungsmaschine“. Unsere Gebühren würden da einfach reingesteckt, und raus käme – nichts. Und das stimmt ja auch, wenn man die Elle des werbefinanzierten Fernsehens anlegt. Dessen Kunden sind nämlich mitnichten die Zuschauer, sondern diejenigen, die die Produktionskosten mit ihren Werbespots wieder hereinholen. Und man kann das genau, für jede einzelne Sendung, ausrechnen. Margarethe Schreinemakers ist danach eine richtige Cash-cow, über Harald Schmidts Latenight-Show auf Sat.1 dagegen kann Thoma schon nach ein paar Wochen lästern: „Ich würde die sofort einstellen.“

Ist die Zuschauerquote zu niedrig, fällt eben der Preis pro Werbespot, die Sendung macht Miese – also weg damit. Dann wird nämlich Geld vernichtet, und zwar das der Sendereigentümer. So einfach ist das. Konsequente Marktwirtschaft. Und an der sollten sich, meint Thoma, auch die Öffentlich- Rechtlichen messen lassen. Dann bräuchten sie so lächerlich wenig Personal wie sein Sender, würden lieber (wie er) freie Produktionsfirmen unter Konkurrenzdruck produzieren lassen, und (wie er) zunehmend auf Filme und Serien aus den USA setzen. Warum teure Krimis („Der Schattenmann“ kostete das ZDF 18 Millionen Mark) für gut 6 Millionen Zuschauer produzieren, wenn die Billig-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ auf RTL auch fast 5 Millionen sehen? Und das täglich.

Edmund Stoiber (CSU) ist kein ganz so konsequenter Marktwirtschaftler wie Thoma. Schließlich ist seine Partei eine Volkspartei und Fernsehen ein Ideologieproduzent, der auch mal gegen die Gesetze des Marktes gebraucht wird. Aber auch Stoiber will eine andere Fernsehrepublik. Nicht gleich die Abschaffung des ersten Programms, er läßt es lieber bröckeln. Mit der einheitlichen Rundfunkgebühr und dem ARD-Finanzausgleich jedenfalls dürfe nach dem Jahr 2000 niemand mehr rechnen, erklärte er auf den Münchner Medientagen im Oktober. Geht es nach ihm (und seinem Kompagnon Kurt Biedenkopf), dann ist gestern zum letzten Mal ein Gebührenvorschlag für die ganze Bundesrepublik gemacht worden.

Und was soll dann kommen? Zum Jahr 2000 haben entweder die Bundesländer Bremen und Saarland ihre eigenen Sender abgeschafft, ein paar andere Sender sind fusioniert (SWF/SDR/HR, ORB/SFB), um den Finanzausgleich überflüssig zu machen – oder Sachsen und Bayern haben das ganze Finanzierungssystem gekündigt, und die Beteiligung am ersten ARD-Programm ist für die Bundesländer nur noch ein Kann und kein Muß mehr. Im Jahr 2001 könnte es zum Beispiel, so schwebt es Kurt Biedenkopf vor, einen MDR geben, der die sächsischen und thüringischen Fernsehgebühren nur noch für sein drittes Programm nutzt – und sich gar nicht mehr am Ersten beteiligt.

Angepriesen haben Biedenkopf und Stoiber ihre Vision vom Primat der Dritten gegenüber dem Ersten als Stärkung des Föderalismus. Doch wie stark wären diese dritten Programme wirklich angesichts der Riesensummen, die die großen Medienkonzerne in den nächsten zehn Jahren in Deutschlands Fernseh- und Multimediaentwicklung stecken werden: Bertelsmann und die Luxemburger CLT, die Allianz Kirch/Berlusconi/Johann Rupert oder auch die anrückenden Amerikaner?

Im vergangenen Jahr haben ARD und ZDF weiter Marktanteile verloren. Daß diese Entwicklung weitergehen wird, ist abzusehen, denn immer mehr Zuschauer merken, wie viele Knöpfe die Fernbedienung eigentlich hat. Immer mehr Sender entstehen, die sich auf Zielgruppen spezialisieren, und nach und nach werden sich einige Millionen Zuschauer einen digitalen Decoder dafür anschaffen. Streiten läßt sich lediglich darüber, ob es im Jahr 2000 nur zwei oder schon vier Millionen sind. Das wird ARD und ZDF noch einmal Zuschauer kosten, selbst wenn sie mit zwei oder drei eigenen Sparten (Kinder-, Parlaments- und vielleicht Bildungskanal) dagegenhalten. Denn in großem Stil können sie, auf die Grundversorgung aller Gebührenzahler verpflichtet, die Differenzierung nach Alter und allen möglichen Hobbys nicht mitmachen.

Das Worst-case-Szenario liefern die USA. Ihr subventioniertes Public Broadcasting System ist neben privaten Networks und Lokal-TV so sehr zu einer Randerscheinung geworden, daß es die Republikaner im letzten Jahr beinahe geschafft hätten, ihm mit dem Verdikt „Subventionskultur“ das Lebenslicht auszublasen. Das muß aber nicht auf uns zukommen. ARD mit den Dritten und ZDF haben die Chance, sich bei zusammen 30 Prozent des Zuschauermarktes zu stabilisieren. Allerdings nur, wenn auch die Qualität stimmt, wenn gebührenfinanziertes Fernsehen auch im Unterhaltungsprogramm wieder unterscheidbar wird von den Privaten. Statt eines Werberahmenprogramms am Vorabend am besten ganz werbefrei – das wäre ein Markenzeichen, und nicht die hin- und herwechselnden Moderatorenstars.

Allein die 4,45 Mark, die wir ab 1997 nach dem Vorschlag der Gebührenkommission monatlich drauflegen sollen, gleichen zunächst kaum die Inflation der fünf Jahre langen Gebührenperiode 1992 bis 1996 aus; jedenfalls bei der ARD, die relativ weniger dazubekommt als das ZDF. Es ist aber kaum zu erwarten, daß die Ministerpräsidenten der Länder, die sich jetzt noch über einen Gebührenstaatsvertrag einig werden müssen, auf die vorgeschlagenen 4,45 Mark noch ein paar Groschen zugunsten einiger besonders gebeutelter ARD-Sender drauflegen werden. Die einen (CDU/CSU) wollen die ARD ohnehin schwächen, die anderen (SPD) drängen lieber auf mehr Sparen. Nicht ganz zu unrecht übrigens – Spielräume gibt es noch, bei den einen wenig, bei den anderen mehr. Doch was fehlt, ist ein System, diese Spielräume nach einem gerechten Modus aufzufinden. Zu lange haben es die schwerfälligen Entscheidungsinstanzen der elf ARD-Anstalten verhindert, daß ein gemeinsames „Kennziffernsystem“ für Leistungen und Kosten geschaffen wurde. Nach dem könnte rationaler gespart, mit mehr Transparenz könnten dann auch die Gebühren gerechter verteilt werden. Jetzt allerdings, in die Enge getrieben – von Helmut Thoma als Konkurrenz, von Edmund Stoiber außer Konkurrenz und von der konkurrenzlosen Gebührenkommission –, wird die ARD nicht drumherumkommen, das lange Verschleppte anzugehen. Und zwar ziemlich schnell. Michael Rediske

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