: Die Queen kann sonntags nicht shoppen
Britische Warenhäuser dürfen am Sonntag öffnen, aber das königliche Kaufhaus Harrods bleibt freiwillig dicht / Kirche, Gewerkschaften und Einzelhändler protestierten vergebens ■ Von Ralf Sotscheck
Dublin (taz) – Seit gestern können die BritInnen sonntags shopping gehen. Das neue Ladenschlußgesetz sieht vor, daß große Geschäfte am Sonntag sechs Stunden lang öffnen dürfen, während es für kleine Läden gar keine Beschränkungen mehr gibt. Für die KundInnen änderte sich dadurch freilich nicht sehr viel, hatten viele Supermärkte doch bereits seit langem das gesetzliche Verbot ignoriert und auch sonntags ihre Waren verkauft.
Angefangen hatte es Weihnachten 1991, als sich die Ladenkette Tesco weigerte, an den Feiertagen dichtzumachen. Die Einzelhändler beschwerten sich über diese „Wettbewerbsverzerrung“ beim Ministerium für Handel und Industrie, das ihnen recht gab und drastische Strafen ankündigte. Die blieben jedoch aus. Zu Ostern des folgenden Jahres waren dann auch die Geschäfte der Sainsbury-Kette sowie zahlreiche Baumärkte offen. Während die britische Regierung den Gesetzesbruch nicht zur Kenntnis nahm, liefen die Einzelhändler Sturm.
Unterstützung erhielten sie von der protestantischen Church of England, die befürchtete, daß ihre Kundschaft sich fortan am Sonntag in den Supermärkten statt beim Gottesdienst herumtreiben würde. Die Gewerkschaften waren ebenfalls gegen das Sonntagsgeschäft – allerdings aus anderen Gründen: Zwar würden dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen, doch zu schlechteren Bedingungen, so argumentierte man. Mußten bis dato zum Beispiel bei Inventuren Zuschläge bezahlt werden, so gelte der Sonntag nach der Änderung des Ladenschlußgesetzes als normaler Arbeitstag.
Gewerkschaften, Kirchen und Einzelhändler zogen jedoch den Kürzeren. Aufgrund des scharfen Konkurrenzkampfes entschlossen sich auch viele andere Ladenketten, Kaufwillige am Sonntag in einige Filialen hineinzulassen, so daß sich die Regierung mit der Gesetzesänderung lediglich vollendeten Tatsachen beugte. Nur Harrods hat sich aus dem Gerangel herausgehalten: Das berühmte Kaufhaus, in dem auch die Queen einkauft, bleibt sonntags weiterhin zu.
Für die kleinen Einzelhändler ist das kein Trost: Für sie sind gestern härtere Zeiten angebrochen, da die Zahl der sonntags offenen Supermärkte noch mal kräftig angestiegen ist. Schließlich ist nicht damit zu rechnen, daß sich die BritInnen nun der Völlerei hingeben: Der Gesamtumsatz bleibt gleich, aber die Verkaufsstrecke ist länger – und damit steigen die Kosten. Tesco rechnet mit 60 Millionen Pfund (rund 150 Millionen Mark) Mehrkosten im Jahr, ein Betrag, der für den Umsatzriesen nicht sonderlich ins Gewicht fällt. Neben den Einzelhändlern müssen sich die Zulieferbetriebe etwas einfallen lassen, da die Supermärkte auch am Sonntag mit frischer Ware beliefert werden wollen.
So wenig sich die Ladenketten in der Vergangenheit um das Ladenschlußgesetz geschert haben, so genau haben sie auf das Verkaufsverbot von Alkohol geachtet, das sonntags zwischen 15 und 19 Uhr besteht. Pünktlich um drei Uhr nachmittags wurden dicke, rote Gummibänder um die Alkoholregale gespannt. Abends um sieben wartete die Kundschaft schon ungeduldig auf die Entspannung der Bänder.
Es gibt bereits Stimmen, die die Aufhebung des Alkoholverbots – Kneipen müssen in dieser Zeit ebenfalls dichtmachen – fordern. Die Church of England ist jedoch fest entschlossen, diese letzte Bastion zu verteidigen: Wenn sich die Menschen auch am Sonntagnachmittag betrinken dürfen, so argumentiert die Hierarchie, wäre das der endgültige Verfall von Moral und Sozialstruktur in Großbritannien.
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