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Die Qual, manchmal

Wo kommt das her, wo will das hin: Heute lassen die Eklektizisten Zita Swoon aus Belgien im ColumbiaFritz verstellte Stimmen und krude Geräusche und andere obskure Seltsamkeiten wie Erdmännchen aus ihren Löchern gucken

Vielleicht ist Stef Kamil Carlsen kein über die Maßen guter Musiker. Ein gewisses Talent aber hat der Sänger, Gitarrist und Vorsteher von Zita Swoon ganz zweifellos: Er kann sonst weitestgehend ernsthafte Menschen fürchterlich verwirren. Nun könnte man noch streiten, ob der Job des Musikkritikers wirklich von Ernsthaftigkeit geprägt ist, Carlsen aber treibt noch dem knochentrockensten Schreiberling jede Kongruenz aus. In seiner Karriere als Mitglied von dEUS, Moondog Jr., Kiss My Jazz und nun eben Zita Swoon wurden Schreiber mal an Captain Beefheart und den Teenage Fanclub erinnert und im nächsten Atemzug an Tom Waits, Frank Zappa, Robert Wyatt und Golden Earring.

Es bleibt das Geheimnis von Carlsen, wie man das unter einen Hut bringen kann. Dabei singt er Englisch, aber auch schon mal Französisch, und vor allem, so war zu lesen, erinnert seine Stimme wahlweise an Marc Bolan, Alice Cooper oder auch Joan Jett. Manche wollen Blues gehört haben, andere Funk und viele natürlich Jazz, erkennen Marschmusik und Jahrmarktsklänge, gerne auch mal Kinderlieder. Manchmal geht die Musik forsch voran, kommt da ein Boogie-Klavier vorbei, und plötzlich ist es Rock. Oder auch Pop, weil da eine Melodie um die Ecke schaut, die einem nicht mehr aus dem Kopf ginge, wenn sie nur ein einziges Mal wiederholt würde, aber da sind Carlsen und Konsorten schon wieder mit einer neuen Idee beschäftigt. Mitunter dudelt die Musik auch vor sich hin, als wäre sie selbst noch am überlegen, wohin das alles nun führen möge. Ja, wo soll das bloß noch alles hinführen? Die spinnen, die Belgier, insbesondere offensichtlich wohl die Antwerpener.

Der Künstler selbst jammert schon mal, es gebe nun mal zu viele Einflüsse; kein Wunder, dass man von Platte zu Platte, ja oft gar von Song zu Song die Stilrichtung wechsele. Nach mehr als einem Jahrzehnt Bandgeschichte aber haben Zita Swoon bereits 2001 mit „Life = A Sexy Sanctuary“ ein ungewohnt stringentes Album aufgenommen, das aber erst dieser Tage hierzulande offiziell erschienen ist. Diesmal, so Carlsen, habe man bewusst den Rahmen Pop nicht verlassen wollen. Und es dann doch ständig getan: Allerdings wurden all die Seltsamkeiten, die verstellten Stimmen, die kruden Geräusche etwas mehr in den Hintergrund verschoben. Dort blicken sie nun manchmal wie Erdmännchen aus ihren Löchern, wagen sich kurz mitten in einen halbwegs eingängigen Popsong und verschwinden dann schnell wieder. So wie dieses obskure Pfeifen in einem Lied wie „Hot Hotter Hottest“, das kaum zu hören ist, weil kurz zuvor ein paar zackige Bläser alle Aufmerksamkeit auf sich lenken. Wo kommt das bloß her, wo wollte es nur hin, und was zum Teufel sollte das Ganze?

Nach solchen Details kann man immer weiter und weiter forschen und so mit einer Platte von Zita Swoon manchen Nachmittag vertrödeln, ohne den geringsten Mehrwert zu erzielen. Das ist der Fluch des Eklektizismus. Das ist seine Schönheit. Vielen Dank. THOMAS WINKLER

Heute, 21 Uhr, ColumbiaFritz, Columbiadamm 9–11, Tempelhof

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