Die Preisschraube an der Tankstelle: Öl für Anfänger
Wird Benzin teurer, wenn die arabischen Länder demokratisch werden? Warum steigt der Preis an der Tankstelle schnell? Acht Fragen zum wichtigsten Rohstoff der Welt.
1. Wieso steigt der Ölpreis, wenn in den arabischen Staaten die Regime wackeln?
Weil Öl an den Bösen gehandelt wird - und die reagieren auf Nachrichten sensibel. Anfang des Jahres kostete das Barrel - das sind 159 Liter - zwischen 90 und 95 Dollar. In den letzten Tagen stiegen die Preise auf bis zu 120 Dollar. Geändert haben sich in diesem Zeitraum aber weder Angebot noch Nachfrage. Denn zwar ist aufgrund des Machtkampfes zwischen Aufständischen und dem Diktator Gaddafi in Libyen die Ölförderung stark eingebrochen. Doch die eine Millionen Barrel, die das Land vorher täglich exportiert hat, ist längst von Saudi-Arabien ersetzt worden, das seine Förderung entsprechend gesteigert hat.
Vor allem von "Befürchtungen und Stimmungen" sei der Ölpreis derzeit getrieben, heißt es aus dem Mineralölwirtschaftsverband. Auf die Möglichkeit, dass weitere Staaten in Nahost aufgrund von Unruhen ihre Ölförderung herunterfahren oder einstellen und so das Angebot an Öl verknappen könnten, reagiert die Börse mit Preisanstieg. Steigende Preise animieren zum Kauf, das Öl wird noch knapper, der Preis steigt weiter. "Da sind viele Ängste drin", sagt Leon Leschus vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut.
2. Wie viel Spekulation steckt im Preis?
Diesen Text über den Rohstoff Öl und viele andere interessante Geschichten lesen Sie in der sonntaz vom 12./13. März 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de erhältlich. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.
Das weiß in Europa niemand genau. Denn Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy konnte sich mit seiner Forderung, die Rohstoffmärkte an Europas Börsen transparenter zu machen, bislang nicht durchsetzen. Deshalb haben auch Experten keine Informationen darüber, welche Händler in London, Paris oder Frankfurt eigentlich was kaufen. Anders in den USA: Dort legt die Terminmarktaufsicht CFTC offen, wer wie viel kauft.
Sie unterteilt die Investoren in verschiedene Gruppen: Zum Beispiel in Produzenten und Nutzer - etwa Bauern oder Fluglinien - oder in Finanzanleger: spekulative Händler wie Hedgefonds oder Pensionsfonds. Sie sind nicht daran interessiert, tatsächlich Öl zu kaufen; sie spekulieren auf steigende oder fallende Preise.
Genau diese spekulativen Händler waren in den vergangenen Wochen sehr aktiv, in der letzten Februarwoche verzeichnete die CFTC einen Anstieg von Wetten auf einen steigenden Ölpreis um 30 Prozent. Einig sind sich die Analysten: Je mehr Spekulanten auf einem Markt mitspielen, desto stärker schwanken die Preise. Zwar sei die Teuerung des Öls durch "Grundmarktdaten gestützt", sagt der Rohstoffexperte Leon Leschus. Denn bei einer wachsenden Weltwirtschaft steigt auch der Preis ihres Schmiermittels, des Öls. Doch das Auf und Ab werde durch Hedgefonds und Co. verstärkt.
3. Wird das Öl teurer, wenn der Nahe Osten und Nordafrika demokratisch werden?
Die Regierungsform hat mit dem Ölpreis nicht viel zu tun, sagt Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Übrigens auch nicht damit, wie umweltschonend gefördert werde - wenn man bei der Ölförderung überhaupt von Umweltschonung sprechen könne. Die Produktionskosten seien schließlich zum allergrößten Teil nicht von Umwelt- oder Sozialstandards, sondern von der Art der Lagerstätten bestimmt.
Dass Norwegen sein Öl teurer verkaufe als etwa Saudi-Arabien, liege daran, dass es in der Wüste leichter zu fördern sei. So leicht, dass dort die Kosten nur einen Bruchteil des Verkaufserlöses ausmachen. Und dabei ist die Förderung nicht einmal besonders schmutzig - zumindest wenn man den Nahen Osten etwa mit dem weltgrößten Erdölproduzenten Russland vergleicht. Wie umweltschonend Öl gefördert wird, hängt vor allem davon ab, ob ein Land stets die neueste und beste Technologie verwende. Das sei im Nahen Osten der Fall, in Russland oder China eher nicht.
Außerdem wichtig: der Grad der Korruption. Denn der entscheidet darüber, ob Gesetze auch angewendet werden. Die beiden Opec-Staaten Nigeria und Venezuela, die vergleichsweise demokratisch seien, würden weder teurer noch besser Öl fördern, sagt Klaus-Jürgen Gern.
4. Was passiert mit der Opec?
Im Moment versucht die Organisation der erdölexportierenden Länder handlungsfähig zu bleiben. Das Libyen nicht an den Verhandlungen zur Erhöhung der Förderquoten teilnimmt, ist erst mal kein Problem: Die Organisation hat ein Quorum von 75 Prozent. Wenn nur einer der zwölf Mitgliedsstaaten fehlt, bleibt die Opec beschlussfähig.
Doch weil sie ihre Entscheidungen nach dem Prinzip "Ein Land, eine Stimme" fällt, könnte es eng werden, wenn weitere Mitglieder ausfallen. Hier schauen alle nach Saudi-Arabien. Die Opec-Staaten fördern täglich etwa 30 Millionen Barrel, rund 40 Prozent der weltweiten Produktion. Davon fallen allein 10 Millionen auf den Wüstenstaat. "Die Opec ist Saudi-Arabien", sagt Andreas Goldthau von der amerikanischen Central European University in Budapest.
5. Warum wird Tanken teurer, wenn der Ölpreis steigt?
Blöde Frage? Nicht unbedingt. Rohöl hat an den 1,55 Euro, die der Liter Super derzeit in etwa an den deutschen Tankstellen kostet, nur einen Anteil von knappen 40 Prozent. Der Rest sind andere Kosten - etwa für Lager und Vertrieb - und Steuern. Dass die Mineralölkonzerne direkt nach den ersten Demonstrationen in Libyen, aber auch an Wochenenden oder in Ferienzeiten die Benzinpreise heraufsetzen, hat vor allem einen Grund: Weil sie es können.
"Wenn Schuhe deutlich teurer werden, werden sie nicht mehr gekauft", sagt Energieexperte Andreas Goldthau. Wenn der Sprit teurer wird, meckern die Autofahrer. Und tanken dann trotzdem. "Der Konsum von Benzin hängt von den Lebensumständen ab", sagt Goldthau. Also davon, wo und wie jemand wohnt, arbeitet und seine Freizeit verbringt. "Das lässt sich nicht so schnell ändern."
Langfristig befördere ein hoher oder stark schwankender Ölpreis zwar die Energieeffizienz oder die Änderung von Konsumgewohnheiten. Aber die zu ändern brauche eine Vorlaufzeit von Dekaden, sagt Goldthau.
6. Und wann wird Benzin wieder billiger?
Das kann schnell gehen. Wenn sich die Lage im Nahen Osten bald wieder beruhigt, könnten die Preise an der Tankstelle wieder fallen. Langfristig wirds aber auf jeden Fall teurer, sagt Josef Auer, Energieanalyst bei der Deutschen Bank Research. Weil die Ölreserven endlich sind und die leicht auszubeutenden erst recht. Auers Tipp: Auf kleine Autos umsteigen.
Das Krisenjahr 2009, in dem auch der Spritpreis absackte, solle sich niemand als Maßstab nehmen. Auch Faktoren wie Währungsschwankungen nehmen Einfluss auf den Benzinpreis. Öl wird in Dollar gehandelt, Benzin in Deutschland aber in Euro bezahlt. Ist der Dollar, wie derzeit, schwach, können wir billiger tanken.
Heißt aber auch: Beginnt der Euro zu schwächeln, wird auch das Benzin wieder teurer, sagt Auer. Derzeit schauen Energieexperten gebannt in den Nahen Osten. Zwar seien dort bislang noch keine Knappheiten aufgetreten, sagt Andreas Goldthau aus Budapest. "Aber wenn Saudi-Arabien als Förderland ausfällt, dann sollten sich alle schnell ein Fahrrad kaufen."
7. Macht der neue Sprit E10 das Tanken teurer?
Kommt drauf an, wen man fragt. Der Mineralölwirtschaftsverband argumentiert, die Bundesregierung habe mit E10 eine "preistreibende Kostenmechanik" in Gang gesetzt. Die geht so: Wenn nicht genug Kunden den neuen Sprit tanken, um die vorgeschriebene Quote zu erfüllen, müssen die Mineralölfirmen Strafen zahlen.
Die werden auf das alte Super, also E5, umgelegt. In seinen offiziellen Rechnungen geht der Mineralölverband davon aus, dass in Zukunft die meisten Menschen E10 tanken werden. Die Sorte Super werde dann nur noch in kleinen Mengen abgenommen, was die Kosten für Lagerung und Vertrieb pro Liter steigen lasse - und damit auch den Super-Preis. Der Biokraftstoffverband hingegen verweist darauf, dass die Steigerung des Ethanolanteils am Treibstoff von 5 auf 10 Prozent zu einer Preissteigerung von weniger als einem Cent führe.
Und eine Rechnung macht der Verband gar nicht mehr auf: Einst galt die Annahme, dass ab einem Ölpreis von 100 Dollar pro Barrel der Einsatz von teurer zu produzierendem Pflanzenkraftstoff wirtschaftlich werde. Doch nicht nur das Öl ist in den vergangenen Jahren teurer geworden. Die anderen Rohstoffe zogen mit - auch die vom Acker.
8. Werden Plastiktüten bald auch mehr kosten?
Schmiermittel, Achillesferse, Stoff - die Synonyme für Öl weisen auf dessen Rolle in der Weltwirtschaft hin. Es ist nicht wegzudenken. Vor allem als Energieträger: In Deutschland wurden im Jahr 2008 immerhin 86 Prozent des Erdöls verbrannt, in Automotoren oder Heizungen.
#Die restlichen 14 Prozent wurden stofflich genutzt, also in Produkte wie Autoarmaturen, Plastiktüten oder Farben verwandelt. Je weiter vorne sich ein Hersteller mit seinen Produkten in der Wertschöpfungskette befindet, desto stärker wirkt der gestiegene Rohölpreis auf ihn. Kunststoffe - wie die Plastiktüte - werden ziemlich direkt aus Erdöl hergestellt, und könnten also wirklich auf die Preiskapriole reagieren.
Bei Farben und Lacken hingegen dürfte kaum noch etwas ankommen, sie sind schon stark weiterverarbeitet. Insgesamt sind die Produkte der chemischen Industrie in den vergangenen zwölf Monaten deutlich teurer geworden, gegenüber 2009 kosteten sie laut dem Verband der chemischen Industrie 3 Prozent mehr. Als Ursache nennt der Verband die stark gestiegenen Rohstoffpreise, darunter auch das Öl.
Allerdings: Stärker als in den entwickelten Industrieländern wirkt der Ölpreis auf die Wirtschaft in den Schwellenländern. Weil sie ineffizienter produzieren, brauchen sie vergleichsweise mehr Öl für eine Einheit ihres Bruttoinlandsproduktes, sagt Goldthau von der Budapester CEU. "Wenn hier an der Tankstelle der Autofahrer noch stöhnt", sagt er, "brechen dort schon die Volkswirtschaften zusammen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation