: Die Politik reagiert
■ Erste Stimmen zu den Auseinandersetzungen am 20. April / Der „Rechtsstaat“ soll nach Meinung des Westberliner Innensenators künftig die Sicherheit Berlins gewährleisten
Berlin. Gestern beschäftigten sich erstmals auch die offiziellen Gemüter mit den Auseinandersetzungen am 20./21. April in Kreuzberg und Ost-Berlin. Von „blindwütiger Gewalt“ sprach der Westberliner Innensenator Erich Pätzold (SPD), die sich „jeweils mit der anderen Seite selbst zu rechtfertigen versucht und letztendlich zu weiteren Konflikten in dieser Stadt führen“ könnte. Da aber warnte Pätzold, sei der „Rechtsstaat“ vor, der über „hinreichende Mittel verfügt, Rechtsverletzungen abzuwehren und zu verfolgen“. Die Sicherheit in Berlin müsse und könne allein von der Polizei gewährleistet werden.
Sein Parteikollege Klaus Löhe, jugendpolitischer Sprecher der SPD, grub da schon etwas tiefer und geißelte die Glaubwürdigkeit gleich beider Regierungsparteien: Sowohl AL wie auch SPD hätten „im Bereich der Jugendpolitik erhebliche Fehler gemacht“ - was sich nun an solchen Unruhen, an denen vorwiegend Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren beteiligt waren, zeige. Ein Nachtragshaushalt im Bereich Jugendförderung in Höhe von kümmerlichen 15.000 DM, ständige Querelen im Senat und ein „Regierender Bürgermeister, der seiner eigenen Partei davonrennt“, könnten laut Löhe ebenfalls keine vertrauensbildenden Maßnahmen sein. Ebenfalls ins sozialkritische Horn stößt der Kreuzberger Verein SO36, dessen Laden diesmal von den Auseinandersetzungen ausnahmsweise verschont geblieben war: Drei Viertel seiner ausländischen SchülerInnen, so berichtet Vereinsmitarbeiter und Lehrer Bernhard Mehrmann, hätten keine Stelle gefunden, „wegen der DDR-Bürger und Übersiedler stehen sie auf dem Arbeitsmarkt nun nicht mehr an zweiter, sondern an vierter Stelle“. Michael Haberkorn, jugendpolitischer Sprecher der AL, sieht in den Auseinandersetzungen eine massive Gewaltbereitschaft sowohl von rechts wie auch von links, vor allem hervorgelockt durch die Ereignisse am 9. November. Die jeweilige Schublade sei perfekt: „Die einen kämpfen gegen die 'Faschos‘, die anderen gegen 'links'“. Solcherart politische Dimensionen der Unruhen mochten die beiden Polizeigewerkschaften gestern nicht entdecken, sie versahen die jüngsten Zusammenstöße mit dem Etikett: „Vorbereitungen für den 1. Mai“, wobei dann alle Verantwortlichen dazu aufgerufen seien, ähnliches zu verhindern.
Doch „polizeitaktische Überlegungen“ führen nach Ansicht der AL-Fraktion auch nicht viel weiter. Vielmehr helfe „ein besonnener Umgang mit Jugendlichen“, so Albert Eckert, „dauerhaft mehr als hartes Durchgreifen“. Krawalle am 1. Mai könne man auch herbeireden.
maz
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