■ Die PKK will mit dem türkischen Staat verhandeln: Von der Kalaschnikow zur Krawatte
Der Auftritt des Guerillaführers Abdullah Öçalan auf einer Pressekonferenz in Beirut stellt eine radikale Wende nach acht Jahren bewaffneten Kampfes in Türkisch-Kurdistan dar. Zum ersten Mal nach 23 Jahren ziehe er Anzug und Krawatte an, gestand der PKK-Führer – Symbole der Wende vom bewaffneten zum politischen Kampf. Die Verkündung eines einseitigen Waffenstillstandes, die Erklärung, daß die PKK nicht das Ziel eines unabhängigen Kurdistan – losgelöst vom türkischen Staat – anstrebe, und sein Angebot, sich am Verhandlungstisch für die demokratischen und politischen Rechte der Kurden einzusetzen, eröffnen die historische Chance für einen Frieden in Türkisch-Kurdistan. Ein Hoffnungsschimmer in diesem schmutzigen Krieg, der in den kurdischen Provinzen der Türkei tobt.
Selbstverständlich hat die politische Wende des PKK-Führers ihre Ursachen. Der Guerillakrieg gegen die übermächtige, mit Nato-Waffen ausgerüstete, türkische Armee ist militärisch nicht gewinnbar. Durch Zwangsevakuierungen in den ländlichen Regionen gelang es dem türkischen Militär, der Guerilla die logistische Unterstützung zu entziehen. Die Militäroffensive der türkischen Armee in Irak-Kurdistan hat der PKK schwere Schläge versetzt. Demgegenüber konnte die PKK – zum Beispiel bei den Massendemonstrationen während des kurdischen Frühlingsfestes „Newroz“ im vergangenen Jahr – demonstrieren, daß weite Teile der Kurden die Guerilla politisch unterstützen. Erst der Beginn des bewaffneten Kampfes seitens der PKK im Jahr 1984 hat überhaupt die kurdische Frage in der Türkei auf die Tagesordnung gesetzt. Die Erfahrung, daß man sich gegen staatliche Gewalt und Repression wehren kann, wirkte identitätsstiftend in der kurdischen Politik.
Die türkischen Politiker sollten sich deshalb hüten, von einer „Kapitulation“ der PKK zu sprechen. Die PKK ist nicht vom Himmel gefallen. Sie war die Antwort auf eine staatliche Politik, die die Assimilation der Kurden mit Panzern und Gewehren betrieb. Sollten die türkischen Politiker mit ihrem verbohrten Nationalismus jeglichen Dialog abweisen, wird die Region erneut in den Sumpf der Gewalt zurückfallen. Das Frühlingsfest Newroz am Sonntag wird schon klären, ob überhaupt Anlaß für Optimismus gegeben ist. Die PKK braucht unter allen Umständen einen friedlichen Verlauf des Newroz, um ihre Dialogbereitschaft unter Beweis zu stellen. Jegliche Provokation von Gewalttätigkeiten seitens des Militärs würde heißen, daß der Staat auf keinen Fall an eine friedliche Beendigung des Konfliktes denkt. Dann werden erneut die Waffen sprechen. Ömer Erzeren
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