: Die Operettenliga
Teuer und umstritten: die Tennis-Bundesliga ■ PRESS-SCHLAG
Während die meisten Tenniscracks wie etwa Boris Becker oder John McEnroe, die gestern (nach Redaktionsschluß) das Endspiel beim Turnier von Indianapolis austrugen, sich die Bälle auf den Hartplätzen der USA um die Ohren schlagen und sich so auf die in drei Wochen beginnenden US Open in Flushing Meadow vorbereiten, tummeln sich einige noch auf den sandigen Jagdgründen der Bundesliga. Nicht unbedingt mit sportlichem, aber immer mit finanziellem Erfolg. Bis zu 100.000 Mark kassieren Spitzenspieler wie der Schwede Jonas Svensson (Bamberg), der Argentinier Martin Jaite (Neuss) oder die Deutschen Patrick Kühnen und Boris Becker (Mannheim) dafür, daß sie Mitglieder deutscher Clubs werden und ab und zu auch mal ein Spiel bestreiten, abgesehen von Becker natürlich, der für solches viel zu schade ist.
Der Sinn der Bundesliga ist höchst umstritten. Das böse Wort des Trainers von Eric Jelen vom „bestbezahlten Urlaub der Welt“ hängt ihr immer noch an, Leute wie Eberhard Wensky, Vorsitzender von Rot-Weiß Berlin, wollen die Verpflichtung von Ausländern gänzlich verbieten und die Liga nur als Pool für deutsche Talente aufrechterhalten. Für mittlere und kleinere Städte wie Bamberg, Kelkheim, Großhesselohe oder Mannheim, dessen Team im letzten Jahr immerhin 15.000 Zuschauer anlocken konnte, ist die Tennis -Bundesliga jedoch gerade durch die ausländischen Spitzenspieler, sofern sie antreten, eine attraktive Sache.
Anders in Berlin. Hier sind für die fünf Vorrunden -Heimspiele von Rot-Weiß gerade 200 Dauerkarten (Preis: 50 Mark) verkauft worden, am ersten Spieltag gegen einen der Titelfavoriten, den TC Bamberg, bei dem neben Svensson die heimischen Filzball-Koryphäen Tore Meinecke und Ricki Osterthun mitwirkten, verliefen sich am Freitag kaum mehr als 600 Zuschauer auf der imposanten Anlage. Eberhard Wensky fand das völlig normal: „Ein ungünstiger Termin, die Ferien, außerdem brauchen sie heute bloß den Fernseher einzuschalten, schon sehen sie Spitzentennis.“ Außerdem seien Zuschauer heutzutage völlig unwichtig: „Was zählt, sind die Sponsoren.“
Das Häuflein adretter Menschen, das sich dennoch auf das Gelände an der Hundekehle verirrt hatte und durchweg so aussah, als sei es gerade dem Coiffeur entschlüpft, durfte zur Belohnung ein hochklassiges Match der beiden Schweden Henrik Sundström (Berlin) und Jonas Svensson (Bamberg), Lendl-Bezwinger und Halbfinalist bei den French Open, erleben. Sundström, der einstmals Platz 7 der Weltrangliste erklommen hatte, 1984 im Daviscup-Finale John McEnroe besiegte und dafür sorgte, daß dieser mit seinem Racket den Inhalt mehrerer Trinkbecher auf das schwedische Königspaar verteilte, spielte zeitweise brillantes Grundlinientennis.
Svensson, die aktuelle Nummer 13 in der Welt, suchte sein Heil ganz gegen sonstige Gewohnheit einige Male sogar am Netz und probierte ansonsten mit gewaltig unterschnittenen Stoppbällen, die kaum mehr in die Luft hüpfen mochten, dem erstaunlich laufstarken Sundström beizukommen. Von dem hatten die Berliner, die sich selbst eher zu den Abstiegskandidaten zählten, eigentlich gar nicht allzuviel erwartet, war es ihm doch nach einer langwierigen Verletzung nie gelungen, den Anschluß an die Weltelite wiederzufinden. Gegen Svensson zeigte er sich jedoch von seiner besten Seite und siegte mit 6:3, 3:6, 6:3, was den 5:4-Erfolg der Bamberger allerdings nicht verhindern konnte.
Immerhin hatte die „Operettenliga“ unversehens sportlich beeindruckt. Und spätestens, wenn Flushing Meadow näherrückt, bekommt auch Eberhard Wensky seinen Wunsch erfüllt: kein ausländischer Top-Spieler wird sich dann noch in den Niederungen der Bundesliga blicken lassen.
Matti
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