Die Neue am Deich: Der Raum verändert die Kunst
Die Französin Fanny Gonella hat die kuratorische Leitung des Künstlerhauses am Deich übernommen: Sie will Schaffensprozesse in den Blick nehmen.
BREMEN taz | Fanny Gonella hat schon Ausstellungen in Berlin und Wien kuratiert, und dort eine mit dem Titel „Quantity as quality“. Und da kann’s auf den ersten Blick schon verblüffen, dass die Französin ausgerechnet das Bremer Künstlerhaus am Deich übernimmt. Denn das ist, mit seinen 100 Quadratmetern Ausstellungsfläche und einem verschwindenden Etat von 30.000 Euro, der kleinste Kunstverein der Stadt.
Aber der Titel war halt keine Paraphrase der Big-is-beautiful-Doktrin: „’Quality‘ war auch im ursprünglichen Sinne zu verstehen, als Eigenschaft“, sagt Gonella, und er fand ja auch nur in einem Teil der kleinen Kunsthalle Exnergasse statt, also gar nicht viel mehr Platz als im Bremer Künstlerhaus. Aber das Echo in der Fachwelt war wirklich gut, 2007 war das. Und das ist vielleicht das Überraschendste der Personalie: dass nämlich die Neue durchaus schon einen Namen hat, anders als ihre Vorgängerinnen: Dorothee Richter, Susanne Pfeffer und Stefanie Böttcher waren fast unmittelbar von der Hochschule oder der Uni ans Künstlerhaus gewechselt. Und es ist nicht ganz klar: Zeigt das vor allem, wie eng der Markt geworden ist. Oder besagt es, welchen Ruf das von den BremerInnen oft übersehene Kunsttempelchen direkt an der Kleinen Weser mittlerweile genießt – auch als Sprungbrett, denn eine bemerkenswerte Karriere haben seither sowohl Richter, die an der Zürcher Hochschule der Künste das Postgraduate Programm für KuratorInnen leitet, als auch Pfeffer gemacht, die seit einem Jahr Direktorin des Fridericianums in Kassel ist.
Wahrscheinlich stimmt beides. Auf jeden Fall erhöht es die Vorfreude auf die erste Ausstellung, die Ende März eröffnet. Denn Gonellas Arbeitsnachweis, mit Stationen in St. Gallen, Glarus, Mulhouse und Bonn, ist spannend.
Und ihr Ansatz ist attraktiv: Das Profil soll ausgehen vom Charakter des Künstlerhauses. Der Charakter des Künstlerhauses ist: dass es eben nicht nur eine Galerie ist, sondern ein Haus der Ateliers. Hier wird Kunst gemacht. Das, so plant Gonella, soll auch ihre kuratorische Arbeit prägen. „Ich will keine klassischen Werkpräsentationen machen“, kündigt sie an. „Mir geht es um einen Einblick in den Arbeitsprozess des Künstlers.“ Deshalb wird es zunächst ausschließlich Einzelausstellungen geben, denn „sobald ich eine Gruppenausstellung mache, geht es immer um das verbindende Thema“.
Zuletzt hatte Gonella im 1963 gegründeten Bonner Kunstverein als Kuratorin gearbeitet und durchaus Entdeckungen gemacht: Ed Atkins, der dann 2013 den britischen Pavillon bei der Biennale von Venedig gestaltet hat, oder auch den noch extrem jungen Berliner Timur Si-Qin, der sich gerade anschickt, international berühmt zu werden, hat sie dort gezeigt. Aber der Bonner Kunstverein hat 800 Quadratmeter Ausstellungsfläche, und fast alles konzentriert in einer Halle. „Die ist enorm“, sagt Gonella. So etwas zu bespielen, das verkraften nur wenige Newcomer. „Ich bin froh, jetzt mit sehr viel jüngeren KünstlerInnen arbeiten zu können als dort“, sagt sie. Den Raumwechsel empfinde sie als „große Bereicherung: Man kommt plötzlich auf ganz andere Ideen.“
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