Die Natur muss weichen: Bauwut auf den Kanaren
Die konservative Regierung auf den Kanaren will die Artenschutzliste um die Hälfte zusammenstreichen. Am meisten betroffen: La Palma. Dort entstehen zwei Asphaltfabriken.
MADRID taz | Was tun, wenn der Artenschutz die Bauwut der Tourismusindustrie stört? Die konservative Regionalregierung der Kanarischen Inseln hat eine einfache Antwort gefunden: Sie will per Gesetz und gegen die Opposition von Wissenschaftlern und Umweltschützern den Artenschutzkatalog verkleinern.
50 Prozent der bisher geschützten Tiere und Pflanzen, das sind 226 Arten, sollen gestrichen werden. Bei weiteren 30 Prozent wird der Schutz herabgesetzt, sie werden nur noch besonders behandelt, wenn sie innerhalb von Naturschutzgebieten vorkommen.
Das Ganze findet kurz vor dem offiziellen Start des von den Vereinten Nationen ausgerufenen Jahrs der Biodiversität statt. Auf den Kanaren gibt es rund 4.000 endemische Arten, Tiere und Pflanzen, die nur hier leben.
Um das Gesetz so schnell wie möglich zu verabschieden, hat die Regierungskoalition aus den Regionalisten und den Konservativen die Parlamentsferien verkürzt. "Diese Eile hat nichts mit den Interessen der Bürger zu tun", so ein Sprecher der sozialistischen Opposition. Es gehe vielmehr um die Tourismus- und Bauwirtschaft.
Am härtesten wird es wohl geschützte Küstenabschnitte treffen. Bisher konnte das Oberste Kanarische Gericht unter Berufung auf den Naturschutz umstrittene Bauprojekte wie einen neuen Hafen im Süden von Teneriffa stoppen. Das dürfte künftig nicht mehr möglich sein.
Besonders betroffen von der Bauwut ist derzeit die grünste Kanareninsel, La Palma. Hier entstehen zwei Asphaltfabriken. Ihr Bau wurde genehmigt, obwohl die Anlagen nicht einmal den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand von zwei Kilometern zum nächsten Dorf einhalten. "Insgesamt sind 7.000 bis 8.000 Menschen betroffen", so die Bürgerinitiative La Palma gegen Asphaltfabriken, die am zweiten Weihnachtsfeiertag Hunderte von Anwohnern auf die Straße mobilisierte. Sie befürchten, dass der stetige Wind auf La Palma die Abgase weit verbreiten wird – eine Gefahr für Landwirtschaft und Grundwasser. Gebraucht werden die Fabriken, weil die Inselregierung eine Autobahn auf der dünn besiedelten Vulkaninsel plant, die 2002 komplett zum UN-Biosphärenreservat erklärt wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Habeck wirbt um Fachkräfte in Kenia
Gute Jobs, schlechtes Wetter
Gesetzentwurf aus dem Justizministerium
Fußfessel für prügelnde Männer
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style