: Die Macht des positiven Denkens
Auch nach dem 19:24 gegen Amsterdam, der zweiten Niederlage im zweiten Spiel, hofft Berlins Football-Filiale Thunder weiter auf die Titelverteidigung, weil Coach Vaas in den Augen der Seinen die richtige Einstellung zum Leben zu erkennen glaubt
von ANDREAS RÜTTENAUER
„Wir haben ein großartiges Football-Team.“ Mit diesem Satz entließ Peter Vaas, der Trainer des letztjährigen World-Bowl-Gewinners der NFL-Europe, Berlin Thunder, die Journalisten aus der Pressekonferenz. Es hatte ein wenig den Eindruck, als wollte der Mann aus New Hampshire den europäischen Pressevertretern ein Lehrstück zum Thema Positive Thinking vorführen. Sein Team hatte das erste Heimspiel der Saison im Jahn-Stadion gegen die Amsterdam Admirals gerade mit 19:24 verloren, doch der Trainer war voll des Lobes für seine Mannschaft. Auch dass die Niederlage gegen Amsterdam bereits die zweite in der laufenden Saison war – in der Vorwoche war Thunder bei der Frankfurt Galaxy unterlegen –, kann einen Mann wie Vaas nicht umwerfen. Er zeigte sich überzeugt, dass seine Mannschaft das Endspiel auch in diesem Jahr noch erreichen kann, hält es sogar für möglich, dass die Seinen alle acht noch ausstehenden Spiele gewinnen.
Die Berliner um General Manager Michael Lang haben sich für diese Saison vorgenommen, den Titel zu verteidigen. Stolz wurde den Fans am Samstag die Glaskugel präsentiert, die Thunder am 30. Juni des vergangenen Jahres im Amsterdamer Finale gegen die Barcelona Dragons gewonnen hatte. 10.699 Zuschauer im Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion beklatschten vor Spielbeginn noch einmal die Leistungen der Vorsaison. Das bedeutet Zuschauerrekord für Thunder. Die sportlichen Erfolge scheinen sich langsam auszuzahlen. Immerhin konnten gut 2.000 Football-Interessierte mehr ins Stadion gelockt werden als zu Saisonbeginn vor einem Jahr. Das dürfte vor allem die Manager der NFL in den USA freuen, für die der Europa-Ableger immer noch ein großes Zuschussgeschäft ist. Ein erster Rekord wurde also schon aufgestellt in dieser Saison. Mit der anvisierten Titelverteidigung übrigens könnten die Berliner ebenfalls Einmaliges leisten. Thunder wäre im Erfolgsfall die erste Mannschaft, die den Word-Bowl verteidigt hätte.
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, der nach den zwei Auftaktniederlagen nicht unbedingt leichter zu beschreiten sein wird. Prognosen lassen sich vor einer Saison in der NFL-Europe ohnehin schwer aufstellen. Die Teams werden vor jeder Spielzeit neu zusammengestellt. Die ersten Spiele zeigen dann meist erst, wie es um die Kräfteverhältnisse der Mannschaften bestellt ist. Aus der knappen Niederlage in Frankfurt, wo das Spiel erst in der Verlängerung entschieden wurde, ließ sich nicht viel mehr schließen, als dass die Berliner auch in diesem Jahr über ein recht ordentliches Team verfügen. Auch gegen Amsterdam hatte Thunder durchaus Chancen, was Trainer Vaas Anlass zu einem Lehrweisheit gab: „Das Wichtigste im Leben überhaupt ist, dass man eine Chance erhält.“ Dass man diese tunlichst nutzen sollte, will man ein Footballspiel gewinnen, davon sprach Vaas nicht. Es sei nicht seine Aufgabe, Spieler zu kritisieren, so der Trainer weiter. Er habe während des Spiels in die Augen seiner Spieler geblickt und dort festgestellt, dass sie die richtige Einstellung hätten.
Seine schützenden Hände hielt Vaas auch über den am Samstag nicht gerade überragenden Quarterback Todd Husak. Er wechselte ihn nicht aus, obwohl er sich während des Spiels leicht verletzte. So beherrschte das Laufspiel die Angriffe von Thunder. Ganz im Gegensatz zur Offensive der Amsterdam Admirals, deren Quarterback Kevin Daft drei Touchdown-Pässe gelangen. Immer wieder konnten sich die Admirals dank der Pässe des gut aufgelegten Daft aus brenzligen Situationen befreien. Damit konnte Husak auf der anderen Seite einfach nicht mithalten. Und so wird wohl die schon vor Saisonbeginn geführte Diskussion, ob nicht doch Tim Hasselbeck der bessere Passgeber ist, so schnell nicht enden. Dass Husak, der wohl weiterhin das Vertrauen seines Trainers hat, nicht der Schechtesten einer ist, hat er vor Wochenfrist in Frankfurt bewiesen, wo er mit 352 Pass-Yards einen Klub-Rekord aufstellte.
Auch beim Heimspiel am Samstag gab es noch eine bemerkenswerte Leistung zu bewundern. Mit einem Fieldgoal sowie einem Extrapunkt schraubte Kicker Axel Kruse seinen persönlichen Rekord auf 102 Zähler. Auch für Menschen also, die nicht ganz so positiv zu denken vermögen wie Thunder-Coach Vaas, war der Abend im Jahn-Stadion nicht nur unerfreulich.
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