piwik no script img

Die Lust am Verzicht

■ Vorausschauender Geiz: Werbefilme aus den dreißiger Jahren im Checkpoint

Ralf Forster ist ein echter Filmfreund. Seit Jahren sammelt der Prenzlberger Kahlkopf kleine, mehr oder weniger seltsame S- und Normal-8-Filme, die er da und dort und vor allem in der Kneipe „OM“ (Stargarder 13) zur Aufführung bringt. Nun gastiert er mit einer Dreißiger-Jahre-Werberolle und Zeichentrickfilmen von Hans Fischerkoesen im Checkpoint-Kino.

Interessant ist an den Werbefilmen, die er zeigt, vor allem, daß sie den Konsumverzicht bewerben. Der zweiminütige „Lebensweg“ demonstriert zum Beispiel die Notwendigkeit des Sparens. Anmutige Verse, vorgetragen mit lustig onkelhafter Stimme, fordern auf zum vorausschauenden Geiz. „Unverdrossen Jahr für Jahr / sorgt für den Nachwuchs Adebar / ... Der Onkel Max, erfahren, / schenkt ein Buch zum Sparen.“

Der 15 Minuten lange Kurzfilm „Hansemanns Traumfahrt“ von 1933/34 verbindet den Lehr- mit dem Werbefilm für Telefunkenradios. Ein Junge verzweifelt da an einem komplizierten Schulaufsatz, in dem er den Rundfunk erklären soll. Im Traum erbarmt sich seiner ein kleines Männchen und nimmt ihn mit ins Rundfunkgebäude des SFB. Mit kleinen Orchestermusikern marschiert er durch Mikrofone und Verstärker (da gibt's was zu essen für schwachgewordene Töne). Im Äther begegnen ihm andere Sendungen und so weiter.

Ebenfalls sehr kunstvoll und trickreich, ebenfalls im Kolorierungsverfahren überarbeitet, bewirbt Hans Fischerkoesen das Radio. Der 1900 in Koesen geborene Hans Fischer war einer der Pioniere des deutschen Trickfilms. Mickymaus-Variationen laden zum „Tanztee“ (1932), der nicht so recht in Gang kommt, da die Gäste die Live-Musik doof finden. Da tanzen dann auch die Bauhausstühle. Fischerkoesen, der seine große Zeit nach dem Importverbot amerikanischer Filme erlebte, beeindruckt durch Einfallsreichtum und einen ausgefeilten Zeichenstil, bei dem sogar Perspektivwechsel durch Kamerafahrten erzielt wurden. Sein Meisterwerk ist der 1941 entstandene „Schneemann“, dessen Held sich im Eisschrank versteckt, um auch mal einen Sommer zu erleben. Lustige Marienkäfer fahren Ski auf dem sich vor Freude im Gras wälzenden Schneemann. Begeistert schmilzt er dahin. Seine Nase kriegt ein Häschen. Detlef Kuhlbrodt

Die Ufa-Trickfilme sind Montag um 20.30 Uhr im Checkpoint, Leipziger Straße 55, zu sehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen