: Die Liebe, die Sprache & Goldt
■ Eine neue Platte von „Foyer des Arts“ und ein fast neues Buch von Max Goldt
Wiglaf Droste
Eigentlich heißt er Matthias Ernst, aber das ist ganz egal und lange her, schreibt Max Goldt im Vorwort seines zweiten Buches Ungeduscht, Geduzt und Ausgebuht. Sein Geld verdient er damit, daß er Touristen Wissenswertes über Berlin erzählt, warum am Potsdamer Platz eine Mauer steht, wie hoch und wie alt die Siegessäule ist usw. Er tut dies freundlich, höflich, nachdrücklich und sanft im Ton, so, wie er auch auf der Bühne spricht oder singt. Niemals würde er dort herumkaspern, mit dem Hintern wackeln oder in der Luft herumfingern, wie das in der Branche - Popmusik - gemeinhin üblich ist.
Die Kritik überschüttet ihn mit Lob. Tempo schrieb gutgemeinten Stuß („ein Sieger“), und der Humorpapst der Titanic, Hans Mentz ( Robert Gernhardt), fühlte sich ebenfalls angenehm und hochkomisch ergriffen. Auch diese Zeitung reiht sich ein in die Gratulationscours; diverse Male habe ich das Wort ergriffen, um die Qualitäten des Sängers, Musikers und Dichters Goldt, aber auch die des Gitarristen und Komponisten Gerd Pasemann, mit dem er das Duo Foyer des Arts bildet, zu loben und zu preisen. Auch die neue Schallplatte Ein Kuß in der Irrtumstaverne, versetzt wieder in den Taumel zwischen Staunen, Jubel und AusdemFensterspringenwollen. Wozu nochmals darüber reden oder schreiben, wenn nicht, um dieses zu sagen: Wer zwei Paar Hosen hat, der mache eines zu Geld, stürze in den nächsten Plattenladen und kaufe! Warum? Weil man beim Inspizieren des Werkes feststellen wird, daß ein Refrain wie Denn für mich darfs etwas mehr sein als ein Doppeldeckerbus voll Frauen die einander streicheln durchaus melodisch einprägsam gesungen werden kann. Und daß eine angemessene Würdigung des heterosexuellen Geschlechtsverkehrs (35 dicke Bände. Schweinsleder. Reich bebildert. Alles wird genau geschildert. ... Walter Giller, Nadja Tiller: Penis Vagina) größte Freude bereitet. Man tanzt durchs Zimmer und wiegt sich im wohltönenden, sonoren Gesang, der getragenen Melodie und dem wie Nadelstiche hüpfenden Rhythmus.
Am besten wäre, die Schallplatte hier an dieser Stelle so abzudrucken, daß man sie herausnehmen, auf den Plattenteller legen, abspielen und anhören könnte. Es ist der allgemeinen Unzulänglichkeit der Printmedien anzulasten, daß dieses nicht geschehen kann. Ärgerlich, denn so muß man selbst noch Worte machen, wo doch schon so schöne da sind. Manche von ihnen haben einen so guten Klang, daß ganze Sätze um sie herumkomponiert werden: Eingecremter Arbeiter liegt da und interessiert sich nicht.
Max Goldt liebt die Sprache, und er meint es ernst damit. Die Tiefe ist echt, sie offenbart sich aus sich selbst und hat keine Beteuerungen nötig. Der Humor und die Komik der Worte entspringen dem Schmerz, der Sehnsucht und der Verzweiflung, die aber nicht mit Jammern und Wehklagen vorgetragen, sondern stoisch auf Stil hin- und zugearbeitet werden. Könnten Menschen sprechen, zerspräng die Welt in tausend Stücke. Sie sprechen nicht, und manche springen still von einer S-Bahn-Brücke.
wiglaf droste
Max Goldt, „Ungeduscht, Geduzt und Ausgebuht“, a-verbal Verlag. Foyer des Arts, „Ein Kuß in der Irrtumstaverne“, Fünfundvierzig Records, EFA Vertrieb
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