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Die Leiden des jungen Adriano R."Den Frust im Bier ertränkt"

Er hört auf den Namen eines Kaisers und hat den Körper eines Gladiators. Auf dem Weg zu Triumphen steht ihm nur einer im Weg: Adriano Leite Ribeira selbst.

Adriano auf einer Pressekonferenz, nachdem er drei Tage lang seinen Alkoholrausch ausgeschlafen hatte. Bild: ap

Er ist ein Koloss von 1,89 m Größe und knapp 90 kg Gewicht. Schnell ist er wie eine Raubkatze, stark wie ein Bär. Er hört auf den Kaisernamen Hadrian. Kein Geringerer als Julius Cäsar - in einer Neuausgabe als Inter-Torhüter Julio Cesar - hält ihm den Rücken frei. Doch pünktlich zum Osterfest erinnert Adriano Leite Ribeira mehr an ein geplagtes Kreuzwegopfer als an einen triumphierenden Imperatore.

Man mag streiten, ob das Golgatha des spät-postmodernen Adriano eher auf den Hügeln um Appiano Gentile (dem Trainingszentrum von Inter Mailand) oder auf dem Zuckerhut in Rio zu suchen ist. Fakt ist: Adriano leidet an beiden Orten schwer. In Brasilien hat er nicht verdaut, dass Nationaltrainer Carlos Dunga ihn bei den jüngsten WM-Qualifikationsspielen auf der Bank schmoren ließ. Den Frust darüber hat er im Bier ertränkt. Aus Scham über seinen neuerlichen alkoholbedingten Absturz ließ er das Flugzeug nach Europa sausen und blieb drei Tage unauffindbar. Die heimische Presse wähnte ihn mal tot, mal nur entführt und mal als Partygast bei Drogendealern.

Rios Polizeisprecher Marcus Reimao berief extra eine Pressekonferenz ein, um zu erklären: "Adriano ist nicht tot. Er wurde nicht entführt. In den drei Tagen, in denen er verschwunden war, stand er in Kontakt mit Drogenbossen der Favela Complexo da Penhà." Drogen hat er nicht genommen. "Adrianos einzige Droge ist das Bier", meint seine Exfreundin Joana Machado. Sie trennte sich von Adriano, nachdem der eine Party mit jetzt im Drogenbusiness aktiven Kumpels sowie Prostituierten besucht und sie nicht mitgenommen hatte. Adriano hatte nach dem Ende der Beziehung erneut seine Freunde aus Kindertagen aufgesucht. Der vielfache Millionär (Jahressalär 5,5 Millionen Euro) hat nicht vergessen, woher er kam. Das ist lobenswert.

Pech nur: Die Jungs aus der Favela Vila Cruzeiro haben nicht den besten Leumund. Polizeisprecher Reimao: "Viele von ihnen haben einen anderen Weg gewählt als er und sind in den Drogenhandel verwickelt." In Italien, wo für solche Drecksgeschäfte ja nur die Mafia zuständig ist - mit der ehrbare Bürger nur dann etwas zu tun haben, wenn es ihre Anwälte blöderweise nicht schaffen, die jeweiligen Verfahren einstellen zu lassen -, wird daher gegenwärtig über Adriano zu Gericht gesessen. Pontius Pilatus ist dabei zu Moratti Mourinho mutiert. Der nach Selbstauskunft "menschlich schwer enttäuschte" Clubbesitzer Massimo Moratti will seinen Angestellten (Vertrag bis 2010) am liebsten sofort verkaufen. Coach José Mourinho hat noch vor der von Adriano selbst angekündigten Auszeit festgelegt, dass der Angreifer in dieser Saison kein Pflichtspiel mehr bestreiten wird. Mourinho will aber "zuerst an den Menschen Adriano denken". Welch Anmaßung des selbsternannten Ersatzpapas. Auch die Medien schwingen sich zu Hilfspsychologen und Hobbyrichtern auf.

Auf dem Platz kann ihnen Adriano nicht aggressiv genug sein. Doch schlägt er jenseits des Kreidestrichs über die Stränge, wird er zum Fall für die Couch. Sein Fehler ist: Er säuft Bier statt Wein und hat weder Uhr noch Kalender im Griff. Jeweils im Herbst der Jahre 2004 und 2005 kehrte er zu spät vom Nationalmannschaftstermin in Brasilien zurück. Im Jahr darauf handelte er sich schlauerweise einen längeren Erholungsurlaub an der Copacabana aus. Frisch ins schwarzblaue Dress zurückgeschlüpft, verpasste er allerdings ein Training nach ausgedehnter Feierei in Mailand. Ungezählt sind seine Fehlstunden. Unbemerkt bleiben sie wegen der zur Schlagzeilensicherung abgestellten Adriano-Beobachter der diversen Sportmedien nicht. Sie petzten, dass Adriano im Oktober 2008 zwar pünktlich, aber angetrunken am Arbeitsplatz aufkreuzte.

Weil dessen Ausfälle sich im Spätherbst und Winter häufen, liegt der Gedanke über den Zusammenhang von Europas Kälte und Stimmungstiefs bei Tropen-Kickern nahe. Bei Musterprofis wie Kaka und Bordon mögen Disziplin und Glaube ausreichen.

Einem Adriano hilft nur die Heimat. Aus seinem bisher schlimmsten Karrieretief ist er durch eine Halbsaison in São Paulo herausgekommen. Gleiches versucht er jetzt. Aus Brasilien drang die Kunde, er brauche Abstand vom Fußball und werde für unbestimmte Zeit keinem Ball nachjagen. Ob dies allein zur Wiederfindung der Lebensfreude reicht, ist fraglich. Der Sportmediziner Marco Aurelius Cunha - standesgemäß auch Namensvetter eines Cäsaren - hatte Adriano letztes Jahr fit gemacht und danach den Satz geprägt: "Er hat den Körper eines Giganten und das Bedürfnis eines Kindes nach Zuwendung."

Beim Mann aus Nazareth lagen die Dinge umgekehrt: Mit starkem Geist und eher schwachen Muskeln widerstand er allen Anfechtungen. Adriano ist in diesem Sinn der Gegen-Jesus. Sein Leidensweg ist am Ostersonntag wohl noch nicht beendet. Warten wir, was Pfingsten bringt.

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