■ Die Leiden des Staatsanwalts am Geldwäschegesetz: Nur Friseur und nicht Mafiosi
Hannover (taz) – Da stieß der Staatsanwalt auf „einen bekannten deutschen Schauspieler“, der 100.000 Dollar in bar in der Tasche hatte. Da meldete die Bank einen keineswegs begüterten Friseurmeister, der plötzlich 80.000 DM auf ein Nummernkonto in der Schweiz überwies. Und auch der Student, der sein Bafög-Konto mit einer Bar-Einzahlung von 50.000 DM gründlich sanierte, war einem aufmerksamen Bankangestellten eine Verdachtsmeldung wert: „Achtung Geldwäsche!?“
Ein mit dem Gesetzgeber gar unzufriedener Staatsanwalt hat jetzt in Hannover einen kleinen Einblick in die mühselige Suche nach Drogengeld, nach Gewinnen des organisierten Verbrechens gewährt. Immerhin kaufen allein in Hannover rund 5.000 von harten Drogen Abhängige täglich Stoff im Wert von schätzungsweise einer Million Mark, und dieses Geld muß „gewaschen“ werden. Doch Staatsanwalt Uwe Görlich, der neben seinen Wirtschaftsstrafsachen seit siebzehn Monaten auch die Verdachtsmeldungen der Banken zu bearbeiten hat, kann über das neue Geldwäschegesetz nur klagen. Die großen kriminellen Transaktionen findet er nicht, die kleinen, die ihm unterkommen, darf er nicht verfolgen.
Das vor gut eineinhalb Jahren in Kraft getretene Geldwäschegesetz verpflichtet die Banken alle Transaktionen über 20.000 DM zu registrieren und verdächtige Geldbewegungen, die etwa „mit dem bisherigen Lebenszuschnitt des Kontoinhabers nicht vereinbar sind“, sogleich den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen. Von der Registrierungspflicht hat Uwe Görlich noch „in keinem einzigen Fall profitiert“. Die verdächtigen Transaktionen, die bei ihm bisher angezeigt wurden, ergeben zwar zusammen den stolzen Betrag von 212 Millionen DM, und er hat auch bereits 100 Ermittlungsverfahren aufgrund dieser Meldungen eingeleitet, mußte aber die meisten davon wieder einstellen.
Der „bekannte deutsche Schauspieler“, der bei einer kleiner Bank 100.000 bare Dollars in D-Mark tauschen wollte, war gerade von einer Tournee aus den USA zurückgekehrt und wollte seine Gage weder den deutschen noch den amerikanischen Finanzbehörden melden. Görlich mußte das Verfahren einstellen. Denn Steuerhinterziehung gehört nicht zu den Katalogstraftaten des Geldwäschegesetzes und darf somit nicht verfolgt werden, wenn sie über die Verdachstmeldung einer Bank bekannt wird. Die Ermittlungen gegen den Friseurmeister ergaben, daß dieser der Scheidung entgegensah und die achtzigtausend nur in die Schweiz transferierte, um sie nicht mit der Ehefrau teilen zu müssen. Auch der Student, der plötzlich um 50.000 DM reicher war, hatte nur dem begüterten Vater bei der Steurhinterziehung geholfen.
Vorläufig beschlagnahmt aufgrund des Geldwäschegesetzes hat die hannoversche Staatsanwaltschaft bisher nur 500.000 DM, und immerhin waren darunter auch Drogengelder. Allerdings nicht solche Gelder, die gerade in Hannover „erwirtschaftet“ waren, sondern nur zwei Beträge aus dem Drogenhandel, die zwecks Anlage in der niedersächsischen Landeshauptstadt quasi zurücküberwiesen wurden. „Die großen Gelder der Mafia oder der Drogenkartelle kommen in den Verdachtsmeldungen der Banken nicht zutage“, meint Uwe Görlich, aber aufgeben will er keineswegs. Den Straftatenkatalog des Gesetzes will er erweitert sehen, damit künftig auch die zufällig entdeckte Steuerhinterziehung bestraft werden kann. Außerdem würde der Staatsanwalt gerne Telefone überwachen und verdeckte Ermittler einsetzen. Beides ist heute aufgrund einer bloßen Verdachtsmeldung einer Bank nicht erlaubt. Jürgen Voges
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