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Die Legende vom Hl. Stephan

■ Die bekehrte Skincombo „Böhse Onkelz“ zu Gast bei „Rock gegen Rechts“, bzw. umgekehrt

Die liebe Dagmar und der böse OnkelFoto: Jörg Oberheide

Onkel Stephan war in der Stadt, und alle kamen. Wie immer, wenn der Texter, Bassist und rührige Verteidiger der „Böhsen Onkelz“ anreist, um sich märtyrergleich den Fragen der Presse auszuliefern: Wie denn sein wundersamer Wandel vom Verfasser faschistischer Texte zum „Rock-gegen- Rechts“-Aktivisten zu erklären sei? Die Fragen der Zweifler und die beschwörenden Antworten des Geläuterten — das hat in diversen Talkshows und Interviews ja inzwischen schon rituelle Züge angenommen. So auch in Bremen,

hier Frau mit Langhaarigem

wo der Hl. Stephan weilte, um den Beitrag der Onkelz-Konvertiten zum hiesigen „Rock-gegen- Rechts“-Konzert (am 17. Oktober in der Stadthalle) zu rechtfertigen. Oder war's umgekehrt?

Manch' Ungläubigem schien es auf der Audienz der Festveranstalter jedenfalls, als ob es sich im Grunde eher um PR für ein „Böhse-Onkelz“-Konzert handele, das mit einigem Multikulti-Drumherum geschmückt werden sollte. Denn es treten wohl noch andere Bands neben den Onkelz auf: die nicht minder umstrittenen „Dim

ple Minds“, „Scäm Luiz“, „Sargant Fury“ uvam. Daß es sich dabei um „Künstler aus England, Niederlande, Surinam, Indonesien, Deutschland und der Türkei“ handelt, wird auf dem Plakat allerdings klein gedruckt. Im Gegensatz zum Namen der Onkelz. Das freut auch Stephan Weidner: „Natürlich ist das auch lukrativ, ich kann nicht klagen.“

Nur kurz fand daher die Großveranstaltung „Mensch?!“ Erwähnung, die das Rockspektakel tagsüber mit Infoständen heimischer Initiativen gegen Ausländerfeindlichkeit begleiten soll (und noch Aktive sucht). Wichtiger als solcher Multikulti-Trödel erscheint doch allemal die Präsenz des Vorzeige-Onkelz. Wichtiger ist doch, „daß wir als Böhse Onkelz „die Leute ansprechen, die mit einem Bein im rechten Lager stehen“. Und für sie will Stephan Weidner „anhand des eigenen Werdegangs ein Beispiel sein“. Es assistierte Dagmar Lill, die Ausländerbeauftragte des Landes: „Was helfen uns Konzerte gegen Rechts, wenn nur Linke da sind?“

Allein beim DGB, der das Spektakel mitveranstaltet, frug man sich: „Müssen wir die jetzt reinwaschen, indem wir ein Konzert mit denen unterstützen? „ Über die anderen Bands, räumte DGB-Jugendsekretärin Marina Stahmann ein, habe man sich da beim besten Willen nicht auch noch informieren können.

Und so stehen die ehemals bösen „Onkelz“ ganz im als strahlende Lichtlein im Mittelpunkt der Feier. Rufen nicht mehr „Türken raus“, sondern besingen „Das Wunder der Persönlichkeit“: „Das ist das Wunder der Persönlichkeit/ Das Wunder das Du bist/ Das Wunder das wir alle sind/ Du genau wie ich.“

Übrigens: Rechtzeitig zum „Rock-gegen-Rechts“ erscheint auch das neue Onkelz-Doppelalbum, samt neuem Promo-T-Shirt, mit dem „Böhse-Onkelz“Schriftzug drauf, „links auf hebräisch, rechts auf türkisch und hintendrauf mit dem Peace-Zeichen.“ tom

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