Die Kurssprünge der VW-Aktie: Spekulanten in Panik
Zum zweiten Mal in zwei Tagen macht die Volkswagen-Aktie riesige Kurssprünge. Zeitweise eine Verdoppelung ihres Werts und kostete in der Spitze 1.005 Euro. Und wer zahlt die Zeche?
Die VW-Aktie stieg am Dienstag zwischendurch auf über 1.000 Euro - und machte Volkswagen vorübergehend zum teuersten Unternehmen der Welt. Zu Börsenschluss lag die Aktie bei 945 Euro und verzeichnete damit ein Plus von 81,7 Prozent. Damit produziert die VW-Aktie nun Sensationen in Serie, denn schon am Montag war das Papier um mehr als 146 Prozent nach oben geschossen.
Dieses Drama rund um die VW-Aktie vollzog sich bisher in drei Schritten. Es begann am Sonntag, als Porsche bekannt gab, dass man 42,6 Prozent an Volkswagen halte. Bei weiteren 31,5 Prozent verfüge man über Optionen - diese Aktien kann Porsche also künftig zu einem bereits festgelegten Kurs erwerben. Faktisch hat Porsche damit den Zugriff auf 74,1 Prozent der VW-Aktien. Da Niedersachsen 20,2 Prozent besitzt, sind nur noch 5,7 Prozent als echter Streubesitz übrig.
Diese Erkenntnis löste - Phase 2 des Dramas - bei vielen Spekulanten Panik aus. Denn sie hatten mit Leerverkäufen darauf gewettet, dass die VW-Kurse sinken. Der Trick dabei: Man leiht sich Aktien und verkauft sie sofort weiter - in der Hoffnung, dass der Kurs inzwischen gefallen ist, wenn man sie zurückkaufen muss. Doch stattdessen stiegen die VW-Kurse plötzlich, weil nach der Porsche-Erklärung allen Spekulanten deutlich wurde, wie sehr sie sich verschätzt hatten: Es gab deutlich mehr Leerverkäufe, als noch Streubesitz zur Verfügung stand. Viele Hedgefonds sahen sich gezwungen, VW-Aktien zu kaufen - egal zu welchem Preis. Die Verluste werden auf Milliarden Euro geschätzt. Einer dieser erfolglosen Spekulanten soll die Société Générale gewesen sein. Die Aktie der französischen Bank fiel am Dienstag in Paris um rund 16 Prozent.
Diese Kursexplosion bei VW hat jedoch nicht nur die Leerverkäufer geschädigt. Auch andere Marktteilnehmer wurden von den Folgen getroffen - und damit begann am Dienstag Phase 3: Nun mussten auch die Indexfonds VW-Aktien kaufen. Indexfonds zeichnen sich dadurch aus, dass sie passiv gemanagt werden - sie treffen also keine aktive Auswahl von bestimmten Aktien, sondern versuchen einfach nur, die Börsenentwicklung abzubilden, indem sie etwa strikt dem DAX folgen. Normalerweise funktioniert diese Strategie bestens, denn im langjährigen Mittel zeigt sich, dass es für einen Fonds kaum möglich ist, die Börsenkurven zu schlagen. Also ist es am einfachsten, die Indizes zu kopieren. Extremfälle wie die VW-Kursrallye sind da allerdings nicht vorgesehen: Nun mussten die Indexfonds plötzlich VW-Aktien nachkaufen und trieben den Kurs damit noch weiter in die Höhe. Gleichzeitig mussten die Fonds andere Aktien verkaufen, was fast alle Papiere ins Minus drückte. Zahlreiche Bankexperten fordern daher, dass die Börse einschreiten muss - und das Gewicht von VW im DAX reduziert.
Die Mechanismen an der Börse sind Porsche natürlich nicht unbekannt. Bisher ist unklar, was die Firma mit ihren VW-Optionen bezweckt. Offiziell gibt Porsche an, dass man langfristig die komplette Kontrolle über VW anstrebe - aber es könnte auch sein, dass Porsche Milliarden an Spekulationsgewinnen einstreichen will.
Die Finanzaufsicht BaFin teilte mit, man analysiere die Entwicklung. Aber mit Ergebnissen sei in dieser Woche nicht zu rechnen. Auch die Deutsche Börse will nicht eingreifen: "Da muss man den Markt gewähren lassen", sagte ein Sprecher.
Während in der Finanzwelt die VW-Aktie nach oben schnellt, wird es in der Realwirtschaft für Volkswagen immer schwieriger. Die weltweite Autokrise verschont auch die Wolfsburger nicht. In Deutschland trennt sich VW von jedem vierten seiner 3.700 Leiharbeiter. Und auch Porsche ist vom Abschwung betroffen. In den letzten Monaten verkaufte man deutlich weniger Sport- und Geländewagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus