: Die Kuh ist noch nicht vom Eis
■ Wasserschutzpolizei: Teile der Gewässer sind weiterhin gefährlich. Weil ihre Boote eingefroren sind, sind die Polizisten mit Autos und Schlittschuhen unterwegs
Die Kuh ist noch nicht vom Eis, sie droht mancherorts sogar einzubrechen. Zwar sind die kleinen Binnenseen mit ihren unterarmdicken Eisschichten laut Wasserschutzpolizei problemlos zu betreten. Auf der Grunewaldseenkette ist das Eis jedoch mancherorts wegen unterirdischer Havelzuläufe und Strudel brüchig dünn. Auch vor den fließenden Gewässern müsse gewarnt werden, so Michael Zeilbeck von der Wasserschutzpolizei, weil die Eisdecke über wärmeren Wasserschichten oder Kraftwerksabwässern nicht trage.
Die Havel rund um das Kraftwerk Oberhavel in Hakenfelde und die Spree rund um das Kraftwerk Ernst Reuter friert deshalb auch nicht zu. Im Gebiet Spandau, wo beide erwärmten Flüsse zusammentreffen, ist das Wasser ebenfalls noch offen – „bis hinauf zum Tegeler See und den Wannsee hinunter bis in Höhe des Grunewaldturms.“ Von Eisbrechern gezogene Fahrrinnen für Kohleschiffe seien ebenfalls nichts für Eisspaziergänger: „Manchmal kommt es Hunderte von Metern von solchen Fahrrinnen entfernt noch zu gefährlichen Haarrissen.“
Fünf Teams der Wasserschutzpolizei wagen sich täglich aufs Glatteis der Berliner Gewässer, um zu messen, ob es trägt. Ihre Ergebnisse: Das Eis auf dem Pankower Orankesee ist mächtige 30 bis 40 Zentimeter dick, genauso wie auf den anderen Seen im hohen Norden und auf dem Müggelsee. Auch auf der Seenkette von Grünau bis Schmöckwitz beträgt die Schicht zwischen 25 und 40 Zentimeter. Die Müggelspree aber ist laut Polizeisprecher Zeilbeck „teilweise offen, und niemand weiß, warum“. Auch an anderen Stellen seien solche unerklärlichen Löcher schon gesichtet worden: „Vor zwei Wochen haben unsere Kollegen einen Eisläufer auf dem Wannsee in Höhe der Pfaueninsel beobachtet, und plötzlich war der weg.“ Wenig später hätten sie ihn aus einem zehn Meter breiten Loch gezogen.
In der Innenstadt können Schlittschuhläufer und Eishockeyspieler indes Pirouetten drehen bis die Kufen glühen und die Mägen spotzen. Der Lietzensee, der Plötzensee und die Seenkette im Tiergarten sind 35 Zentimeter tief zugefroren. Der erst ab Höhe Grunewaldturm betretbare Große Wannsee hat jedoch weniger als 30 Zentimeter aufzuweisen. Jetzt nach dem Schneefall, warnt der Polizeisprecher, seien brüchige Stellen noch weniger sichtbar als vorher.
Kleiner Trost: Wo die Kühe noch nicht vom Eis sind, wachen die Bullen. Zwar sind laut Zeilbeck „alle Dienststellen eingefroren“, weil ihre Boote im Eis festliegen. Dafür aber fährt so manch ein Wasserschutzpolizist inzwischen auf seinen privaten Schlittschuhen Streife. Dieses „Pilotprojekt für Freiwillige, die sich dafür fit genug fühlen“, komme sowohl bei den Kollegen als auch bei den Spaziergängern prima an. „Erstens macht es Spaß, zweitens sind wir im Notfall schneller.“
Wer sich keine Kufen unterschnallen mag, patrouilliert zu Fuß am Ufer oder fährt seine „Eiswarn- und Rettungsdienste“ mit dem Auto. Entweder mit einem Kleinlaster, der speziell für die Rettung Eisbrüchiger ausgerüstet wurde, oder mit normalen Funkwagen. „Motorschlittenwagen haben wir leider noch nicht“, bedauert ein anderer Wasserschutzpolizist. Ute Scheub
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