Die Krake unterm Flachdach

■ Klaus Tews inszeniert „Nach dem Regen“in der Hochschule für Musik und Theater

Das Flachdach aus Blech ist manchmal heiß, oft rutschig und meistens ungemütlich. Über dem 49sten Stockwerk eines Bürohochhauses treffen sich die Heimlichtuer, um sich ihrem verpönten Laster zu ergeben: dem Rauchen. Die Firma, medizinal-politisch korrekt, stellt nur Nichtraucher ein. Einige Angestellte haben deshalb beim Vorstellungsgespräch gelogen, und jetzt müssen sie dafür büßen.

Sergi Belbels Stück Nach dem Regen ist vermutlich als Abschlußarbeit der Hochschule für Musik und Theater ausgesucht worden, weil es allen mitwirkenden SchauspielabsolventInnen Raum und Zeit genug gibt, sich selbst darzustellen. Eigentlich geht es nämlich um nichts: In wechselnden Kombinationen treten fünf Frauen und drei Männer auf, rauchen, raufen sich, heulen, trösten einander, intrigieren und fallen immer wieder beinahe über das Geländer.

Trotzdem wird es nur selten langweilig. In knapp zwei Stunden entwickelt Regisseur Klaus Tews das Bild einer Clique, zusammengehalten durch die gemeinsame Lüge, auseindergerissen durch die Ambitionen jedes einzelnen. Unten sitzt die Firma, dieses „unpersönliche, alles verschlingende Monstrum“. Nur auf das Dach reicht die Macht der Krake nicht. Die paar Quadratmeter werden zur Gegenwelt, zum Freiraum für Angst, Haß und Freundschaft. Unten muß die arbeitende Bevölkerung funktionieren. Hier oben darf sie zum Nervenbündel werden, die Maske oder auch mal die Hosen runterlassen.

Die gestylten Sklaven einer unbarmherzig wohlmeinenden Firmenphilosophie sind oft frotzig und flapsig, wie Schulinder in der Pause. Die Sekretärinnen baggern den Stadtboten an, die Exekutivdirektorin und der Verwaltungschef büßen schnell ihre Autorität ein. Postengeschacher und Machtspielchen bekommen auf dem windigen Blechdach eine neue Dimension: Niemand schafft es hier, sich gegen die eigene Unvollkommenheit zu wehren, und manchmal driftet eine Begegnung ins Alptraumhafte ab.

Spärliche, aber wirkungsvoll eingesetzte Licht- und Geräuscheffekte unterstützen ein Spiel, über das hier keine Zensuren abgegeben werden sollen. Das können die Professoren besser. Nur soviel sei gesagt: Das Stück ist manchmal etwas lang, aber trotzdem macht es Spaß und ist unbedingt sympathisch. Was es uns sagt? Rauchen ist total uncool. Aber sich verstellen zu müssen schadet der mentalen Gesundheit mehr. Barbora Paluskova

Nächste Vorstellung: Sa, 12. April, 20 Uhr, Hochschule für Musik und Theater, Harvesterhuder Weg 12