: Die Kosten der Katastrophe
Zwölf Prozent der britischen Ölförderung entfallen /Überlebende erzählen den Reportern von den dramatischen Minuten auf der explodierenden Bohrinsel / Lloyds rüstet sich für die größte Auszahlung seiner Geschichte ■ Aus London Rolf Paasch
Nur noch eine graue Rauchwolke über der zerstörten Bohrinsel „Alpha Piper“ zeugte am Freitag von der bisher schwersten Brandkatastrophe in der Geschichte der Ölförderung, welche die Plattform des US-Multis „Occidental Petroleum“ in der Nacht zum Donnerstag heimgesucht hatte. 17 Tote des Unglücks waren bis zum Freitag geborgen worden. Für die noch 149 Vermißten bestand gestern nach Einschätzung der Rettungsmannschaften keinerlei Hoffnung mehr. Erste Untersuchungen zu den Unglücksursachen machten ein Gasleck für die plötzlichen Explosionen verantwortlich.
Im Krankenhaus der schottischen (Öl-)Hauptstadt Aberdeen spielten sich unterdessen die verabscheuungswürdigsten Szenen ab. Sensationshungrige Reporter der britischen Medien hielten angesenkten Ölarbeitern - insgesamt haben 64 überlebt - die Mikrophone vor, um noch vom Krankenbett exklusive Erlebnisberichte über die verzweifelten Sekunden nach den Explosionen auf der „Alpha Piper“ in Ton und Bild festzuhalten. „Laß Dich toasten oder spring'war die Alternative, vor der wir standen“, erklärte einer der Geretteten, noch am Blutplasma-Tropf hängend.
Während sich Königin und Premierministerin in Beileids -Routine für die Angehörigen der ehemaligen Schöpfer des britischen Goldes übten, wurden in der Londoner City bereits die materiellen Kosten des schweren Öldesasters gezählt. Da die „Alpha Piper“ direkt an den Pipeline-Verbund zwischen fünf Ölfeldern angeschlossen ist, sind durch die Katastrophe mit einem Schlag 12 Prozent der britischen Nordseeölförderung ausgefallen. Denn auch die anderen vier Ölfelder können jetzt ihr Öl nicht mehr weiterleiten. Das bedeutet einen Verlust von täglich 285.000 Barrel mit einem Wert von 2,6 Mrd. Pfund (knapp 8 Mrd. Mark) Während der Öl-, Gas- und Chemie-Multi „Occidental Petroleum“ mit seinem Jahresumsatz von 30 Mrd. Mark durch die Katastrophe kaum in Schwierigkeiten geraten dürfte, richtet sich der Londoner Versicherungsmarkt auf eine der größten Auszahlungen seiner Geschichte in Höhe von rund 3 Mrd. Mark ein. Rund die Hälfte davon wird von den Bürgen der Londoner Lloyds Syndikate getragen werden müssen, der Rest ist von Lloyds in Übersee rückversichert worden. Die Prämien für Bohrinseln werden nach dem Desaster drastisch ansteigen.
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