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Die Katastrophe nach der Katastrophe verhindern

■ Flughafen und Rettungsdienste üben Flugzeugabsturz/ 100 Meter hoher Rauchpilz über Tempelhofer Rollfeld/ Die Flughafenfeuerwehr löscht in drei Minuten/ Erstmals in der Bundesrepublik betreuen Psychologen die Angehörigen

Tempelhof. Feuer auf dem Rollfeld des Flughafens Tempelhof. Bis in 100 Meter Höhe steigt eine schwarze Rauchfahne auf, die in weiten Teilen der Stadt zu sehen ist. Eine Propellermaschine hat neben der Rollbahn aufgesetzt, ist 500 Meter auf dem Rumpf weitergerutscht und dann mit einem anderen Flugzeug zusammengestoßen, das sich sofort entzündete. Koffer und Kleidungsstücke liegen wie vom Himmel gefallen über eine Rasenfläche verteilt, die Passagiere sind leicht- und schwerverletzt oder ums Leben gekommen. Unter Schock irren manche zwischen denen umher, die sich aus dem Wrack retten konnten. Einer ruft ununterbrochen »Klaus, Klaus, Klaus«, ein anderer sucht seine Mutter.

So wie am vergangenen Samstag in Tempelhof könnte sich der Ernstfall abspielen — am Wochenende übte ihn die Flughafenfeuerwehr zusammen mit der Berliner Feuerwehr, dem Deutschen Roten Kreuz, der Kriminal- und Schutzpolizei jedoch nur. Sie sollten bei der Einsatzübung »Schneeball« die Schwachstellen herausfinden, an denen eine schnelle Rettung von Menschen hapern könnte. Auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Rettungsdienste — bei Großeinsätzen unübersichtlich — sollte eingespielt werden.

Der Tower ist von dem Piloten der Notfall-Maschine noch im Landeanflug darüber benachrichtig worden, daß ein Absturz droht. Die Feuerwehr ist in Alarmzustand und rückt folglich aus ihrer Hangar-artigen Halle am Tempelhofer Damm sofort aus, als es zur Bruchlandung und der anschließenden Kollision kommt. Mit ihren gelben und rot-weiß-gestreiften Tanklöschfahrzeugen aus ehemals alliiertem Besitz fahren sie an den turmhohen Rauchpilz heran, halten ihre Wasserkanonen auf die brennenden 3.000 Liter Kerosin. In drei Minuten ist die Flamme unter Schaum erstickt.

Weil die inzwischen benachrichtigte Berliner Feuerwehr noch nicht angekommen ist, kümmern sich die Retter vom Flughafen auch um die Verletzten. Vier in silbrige Wärmeschutzanzüge eingepackte Männer transportieren die Unfallopfer zu einer 50 Meter entfernten »Verletzten- Ablage« — bevor sie auf Berlins Krankenhäuser aufgeteilt werden. Bis dahin werden Männer mit verbrannten Armen und Frauen, mit Knochenbrüchen auf tragen gebettet, nebeneinander unter freiem Himmel abgestellt. Sanitäter übernehmen die Erstversorgung, wickeln die Verletzten in warme Decken und spritzen Infusionen. Im Hintergrund werden zwei Zelte aufgebaut.

Endlich kommt die Berufsfeuerwehr, und spätestens hier werden Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit unübersehbar. Mehrere Minuten stehen die Helfer umher, wissen nicht, was sie tun sollen, obwohl sich noch immer Schwer- und Leichtverletzte vor und in der zerstörten Maschine befinden.

In der Ankunftshalle warten inzwischen mehrere Bekannte und Verwandte der verunglückten Fluggäste. Sie müssen Zeugenformulare ausfüllen, zwecks Wiedererkennung die Merkmale wie »Blinddarmnarbe rechts« oder »kleine goldene Ohrringe« angeben. Aber auch hier herrscht Chaos: Ein älterer Herr erleidet einen Herzinfarkt, 10 Minuten beachtet ihn niemand, andere beschweren sich, weil sie noch kein Zeugenformular erhalten hätten. Erstmals umsorgen Psycholgen des vor zwei Wochen gegründeten Polizeireferats für Angehörigenbetreuung die Beteiligten. »Wir wollen damit die Katastrophe nach der Katastrophe verhindern«, begründet Horst Brandt, Leiter der Mordkommission die Neugründung. Ein Novum in der Bundesrepublik.

Brandts Abteilung muß draußen auf dem Flugfeld Verletzte und Tote identifizieren, verstreute Reisetaschen und Kleider zuordnen. Aus Braunschweig sind bereits Mitarbeiter der »Flugunfallstelle« aufgebrochen. Sie werden zusammen mit der hiesigen Kripo die Schleifspur der Unglücksmaschine untersuchen, den Flugschreiber auswerten und den Unfallhergang rekonstruieren.

Diesmal würden sich die Untersuchungen besonders einfach gestalten. Die Berliner Flughafengesellschaft, Initiator des 50.000 Mark teuren Rollenspiels, hatte die Bruchlandung »arrangiert« und könnte den Unfallhergang sicher bestens erläutern. Dirk Wildt

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