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Die Kanzlerin auf dem CDU-ParteitagMerkels bestes Deutschland

In ihrer Rede erinnert Merkel an die Anfänge der Partei. Deutschland könne auch in der Flüchtlingspolitik „Größtes“ schaffen, sagt sie.

„Wir schaffen das“: Merkel bekräftigt auf dem Parteitag ihr Mantra. Foto: ap

Karlsruhe taz | Als Angela Merkel die Bühne betritt, beginnt der Showdown. Mit gewohnt routinierter Stimme sagt sie: „2015 ist ein unglaubliches Jahr.“ Sie spricht von Ereignissen weltweit, dabei gilt der Satz auch ihrer Partei: Wochenlang hatten die Flügel der CDU und die gesamte CSU mit ihr gerungen. Ein Streit hatte sich an der Frage aufgehängt, welchen Kurs die CDU in der Flüchtlingspolitik wählen will, der Parteitag soll es an diesem Montag klären.

Was Merkel aber macht, ist nicht weniger als vor 1000 Delegierten zu referieren, was die CDU sei, warum sie alle nun europäisch denken müssten, nicht nur national. Dass Globalisierung mehr bedeute, als den Titel als Exportnation zu erkämpfen. Statt ihren Kritikern nachzugeben, verteidigt Angela Merkel ihr „Wir schaffen das“-Mantra.

Auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe redet sie als Vorsitzende ihrer Partei, spricht aber über ein Jahr als Bundeskanzlerin. Merkel reflektiert ein langes Jahr, das mit Anschlägen in Paris begonnen hatte und auch so endet, von der Griechenlandkrise geprägt war, in dem ein Pilot ein Flugzeug abstürzen ließ, in der Ukraine ein Krieg auszubrechen drohte, Tausende Flüchtlinge im Mittelmeer ertranken. „Eine solche Abfolge von Ereignissen, bei denen jedes von sich selbst schwer wiegt, habe ich selbst so noch nicht erlebt.“

Auf der Bühne ist nicht nur ein Foto der deutschen Flagge drapiert, sondern auch die europäische. Die Botschaft: Der Umgang mit Flüchtlingen ist keine nationale Angelegenheit. Europa muss sie gemeinsam angehen. „Es lohnt sich der Kampf um ein einheitliches europäisches Vorgehen“, sagt Merkel. Selbst wenn sie darum noch mehrere Monate verhandeln müssten.

Das O-Wort fällt nicht

Bei dieser Rede geht es nicht, um das, was Merkel sagt. Sondern auch darum, was nicht gesagt wird. Fällt es doch noch, das Wort, um das Merkels Kritiker kreisen: Obergrenze? Insbesondere die Junge Union, der Wirtschaftsflügel der Partei, der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reiner Haseloff hatten sie gefordert. Merkel und ihre Verbündeten hatten sie stets abgelehnt. Sie spricht davon, „Zahlen der Flüchtlinge spürbar zu reduzieren“. Von Abschiebungen sogar nach Afghanistan, dafür aber „mit freundlichem Gesicht“. Begrenzung des Familienzuzugs, Schutz der europäischen Außengrenzen, restriktive Maßnahmen. Das O-Wort fällt aber nicht.

Im Vorfeld des Parteitages hieß es, es solle eine Aussprache geben, Delegierte sollten den Raum bekommen, Kritik zu üben, zu debattieren. Dann aber hat der Bundesvorstand in letzter Minute alles geglättet, Gegner ihre Anträge zurück gezogen. Der Partei hatte ihnen einen Kompromiss angeboten: „Eine Formulierung, die es dem einen oder anderen erlaubt, sich besser wieder zu finden“, sagte Generalsekretär Peter Tauber am Vorabend des Parteitags. Die Formulierung lautet so: „Wir sind entschlossen, den Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen durch wirksame Maßnahmen spürbar zu verringern. Denn ein Andauern des aktuellen Zuzugs würde Staat und Gesellschaft, auch in einem Land wie Deutschland, auf Dauer überfordern.“

Merkel hält sich in ihrer Rede nicht an solchen Details auf. Stattdessen macht sie einen Exkurs in die Geschichte, Adenauer habe nicht ein bisschen Freiheit gewählt. Erhard nicht ein Wohlstand für fast alle. Kohl nicht nur einige blühende Landschaften. Warum sie also daran festhalte, Deutschland könne es schaffen? „Weil es zur Identität unseres Landes gehört Größtes zu leisten.“ Sie versteigt sich sogar zu noch einem Superlativ: „Unser Deutschland ist das schönste und das beste Deutschland, das wir haben.“

Dafür bekommt Angela Merkel Standing Ovations. Neun Minuten lang.

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12 Kommentare

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  • „Unser Deutschland ist das schönste und das beste Deutschland, das wir haben.“ Banaler geht's wirklich nimmer - und für eine solche nichtssagende Floskel bekommt sie auch noch 9 Minuten Beifall.

     

    Für kein einziges der unzähligen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Problem ist ein Konzept vorhanden. Nirgendwo ist die Einsicht vorhanden, daß man die Dinge von der Wurzel angehen muß, um Fortschritte zu erzielen.

     

    Stattdessen wir-schaffen-das-schon-Parolen, Sand in die Augen streuen, nutzlose Appelle an längst aufgegebene demokratische Werte und an ein Europa, das zum Scheitern verurteilt ist. Wenn das Politik sein soll - wozu brauchen wir dann noch Politiker?

    • @Peter A. Weber:

      "Wenn das Politik sein soll - wozu brauchen wir dann noch Politiker?"

       

      Dasselbe mögen sich DDR-Bürger in den achtziger Jahren nach ähnlicher Analyse auch gefragt haben.

       

      Minutenlanger Beifall für hohle Phrasen: Das ist soooo Endzeit-SED....

  • "Weil es zur Identität unseres Landes gehört Größtes zu leisten"

    Klar, beim Betreiben von KZs sind wir schier über uns hinausgewachsen.

    Und jetzt züchten wir eine neue Generatoin von home grown Terrosristen vorm Lageso und in überfüllten Unterkünften. In hirnloser Flüchtlingspolitik, die sich auch noch auf einen nicht existenten Gott beziehen muss, wenn sie von Würde faselt, sind wir auch die größten. In kluger Migrationspolitik sind wir allerdings die größten Versager, die beträchtliche Kollateralschäden verursachen (auf dem balkan und in Europa, von Pegida und co ganz zu schweigen)

    • @Gergens:

      "Und jetzt züchten wir eine neue Generatoin von home grown Terrosristen vorm Lageso und in überfüllten Unterkünften."

       

      Sie sind aber nicht nett zu den Flüchtlingen. European homegrown sind doch eher Breivik, Zschäpe & Co, und die ganzen Brandstiftern und Schläger, die weitgehend unbehelligt Asylheime und Leute terrorisieren. Oder habe ich was falsch verstanden und das sind die neuen Freiheitskämpfer und Volkshelden?

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "...syrer sind eh voll gescheite leute..."

     

    Die Bevölkerungsexplosion (bei begrenzten Ressourcen) der letzten 50 Jahre und 4 Jahre andauernder Bürgerkrieg mit einer unüberschaubaren Anzahl der Parteien sprechen eher dagegen.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Die Bevölkerungsexplosion ist seit Jahrhunderten ein weltweites Phänomen & Problem. Als einziges Land bisher hat China mit der Einkindpolitik effiziente Maßnahmen dagegen ergriffen. Alle anderen trauen sich nicht und im Schland unterstützt man die Überbevölkerung gar noch durch massive Subventionen und Privilegien.

  • Sicher kann es Deutschland schaffen, die Flüchtlinge effizienter auszusperren. Unsere Erfahrung mit Stacheldraht, Zäunen, Mauern und Wachtürmen geht auf eine 80-jährige Tradition zurück. Versteht die TAZ eigentlich noch den Merkelschen Doppelsprech oder muß man sich mit diesem Anspruch künftig an die Sendung mit der Maus wenden?

     

    Ach ja, und dann hat sie noch "Multikulti bleibt (...) eine Lebenslüge" gesagt, um den rechten Rand der Gesellschaft zu erfreuen.

  • niemand kann doch beim besten willen eine zahl definieren, das ist doch völlig realitätsfern. ich bin mir sicher merkel ist schon endlos genervt von ihren parteileuten die so dumme ideen in die welt schrein.

    wenn sich mal das ein oder andere europäische land außer österreich, schweden usw, sich noch beteiligen würde, dann müsste man ohnehin nicht über eine obergrenze reden.

    syrer sind eh voll gescheite leute, aus einem land mit unendlich viel kultur und geschichte, man sollte sich eigtl. freuen wenn man sie aufnehmen kann.

     

    merkel macht ihre sache gut, sie versucht einen konsens der gesellschaft zu finden/schaffen und gibt nicht den lautesten schreihälsen nach.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Domi Martin:

      "...versucht einen konsens der gesellschaft zu finden/schaffen..."

       

      In der Suche nach dem Konsens wird mir die wirtschaftliche Problematik zu einseitig angesprochen. Da kann man befürchten, dass der Konsens möglicherweise so aussieht:

      http://www.welt.de/wirtschaft/article149914423/Fluechtlinge-sind-eine-Riesenchance-fuer-Deutschland.html

       

      Da spricht der Chefvolkswirt der DeuBa ganz offen, dass 8 Mio. Zuwanderer analog zu USA wo "unzählige Einwanderer als Gärtner oder Erntehelfer arbeiten, warum nicht auch hier so anfangen?". Und gesteht ganz ehrlich, in welche Richtung er dann die Lohnentwicklung sieht: "Ich lasse den Rasen um mein Haus in Ostfriesland bisher monatlich mähen – wenn es günstiger wird, lasse ich es vielleicht öfter machen."

       

      2/3 der Betriebe haben noch nie einem Jugendlichen mit Migrationshintergrund einen Ausbildungsplatz gegeben. Damit wir die herkunftsbezogene Chancenungleichheit verrößert. Folgen kann man sich denken.

       

      In "Telepolis" gab es einen guten Artikel in dem eine provokante These aufgestellt wurde, dass eine von der Konkurrenz wirtschaftlich nicht bedrohte Schicht, sich eine breite, billige Schicht an Dienstleistern wünscht und die ZUwanderung als eine willkommene Chance sieht. Ist was daran.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        wir sind hier in der taz, sie können doch bitte nicht wirklich vorschlagen, dass migranten schelchter als arier oder reichsbürger bezahlt werden? was schießt ihnen denn durch den kopf, hören sie doch auf so ökonomisch zu denken.

  • Danke für denn Fotto!!

     

    Geht das Winkelement gen Honni¿ -

    Doch eher gen Leonid Iljitsch¡;()

    Zirkel oder Sichel? - egal ->

    Wassen Hammer;!¡) ~>

    Voll in die Bresche.

    Bestens.

  • Zustimmung mangels Alternative:

    „Unser Deutschland ist das schönste und das beste Deutschland, das wir haben.“

     

    Ein weiterer Beleg für merkelsche Logik, die sich im Ergebnis auch umgekehrt lesen lässt..