■ Die IG Medien bescheidet sich beim Tarifabschluß: Jobs als Faustpfand der Arbeitgeber
Das Terrain war abgesteckt: 1,85 Prozent mehr hatten die Bauarbeiter herausgeschlagen, 2 Prozent mehr die Chemiewerker und nur 1,5 Prozent die Arbeiter in der Textil-und Bekleidungsindustrie. Da blieb für die Drucker nicht mehr viel zu kämpfen, wollte die IG Medien nicht erneut als Gewerkschaft mit unzeitgemäßen Forderungen durch die Presse geistern. Wie bei den Bauleuten gibt es also nur 1,85 Prozent mehr Lohn. Bei der derzeitigen Preissteigerungsrate und den zu erwartenden Beitragserhöhungen für Pflege und Rente bedeutet das weniger Kaufkraft für die Beschäftigten.
Zwar hat die Gewerkschaft gleichzeitig eine Öffnungsklausel für die Beschäftigungssicherung vereinbart. Betriebe können für eine begrenzte Zeit von 35 auf bis zu 30 Stunden heruntergehen, ohne Lohnausgleich. Eine ähnliche Öffnungsklausel gibt es schon seit mehr als zwei Jahren in der Metallindustrie, und da sogar noch mit teilweisem Lohnausgleich. Auch in anderen Branchen existieren tarifliche Zusagen, Auszubildende zumindest befristet zu übernehmen. Bemerkenswert ist der Drucker-Abschluß also nicht, bemerkenswert ist aber die unerwartet schnelle Einigung in Tarifverhandlungen mit einer Gewerkschaft, die früher traditionell die kämpferischste war.
Der Abschluß zeigt, wie sehr sich das Klima zwischen den Tarifparteien in den wichtigsten Branchen seit einem Jahr verändert hat. Jobs sind das Faustpfand der Arbeitgeber. Das gilt auch für die Druckindustrie, in der kräftig rationalisiert wird, in der immerhin 25.000 Jobs in den vergangenen zwei Jahren verloren gingen. Die Arbeitswelt hat sich dramatisch verändert. Ein sicherer Job – davon konnte früher jeder und jede Beschäftigte mit unbefristetem Arbeitsvertrag ausgehen. Firmenzusammenbrüche und Massenentlassungen waren spektakuläre Ausnahmen. Heute tun die Arbeitgeber so, als müßten die Belegschaften zutiefst dankbar sein für ihre Jobs. Wer die vorübergehende Sicherheit des Arbeitsplatzes braucht, muß sie sich schon erkaufen.
Die echten Gewinner dieser Abschlüsse in Flächentarifverträgen sind die großen, profitablen Konzerne. Der Zwei-Prozent-Abschluß in der Chemieindustrie mag den mittelständischen Plastikproduzenten entlasten und Jobs sichern. Die Gewinne der Großunternehmen wie BASF, Bayer und Hoechst aber boomen durch die Millioneneinsparungen bei den Lohnkosten. In den großen Verlagen wird der Effekt des neuen Druck-Abschlusses nicht anders sein. Da ist es nur wenig tröstlich, daß das neue Tarifpapier nicht auch noch „Bündnis für Arbeit“ getauft wurde. Barbara Dribbusch
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