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Die Hölle in Holzverkleidung Von Michael Rudolf

Wir haben einen Besichtigungstermin für unser zukünftiges Haus: am Stadtrand, am Hang und nicht weit zum Wald. Näher besehen, entpuppt sich das bezugsfertig deklarierte Heim (Baujahr 1976) als eine einzige Kampfansage. Die Blautanne, das Pioniergehölz tobender Vorgarten- und Reihenhäuschenparanoia, hält im engsten Spalier die neugierigen Blicke der Passanten ab, kein Fleck im 460 Quadratmeter kleinen, das Haus umwickelnden Grundstückshandtuch wurde bei der vor 20 Jahren erfolgten Aufforstungsaktion vergessen. Wohin der Tann nicht reicht, sind aufs obszönste verstümmelte Buchen als Freiluftbonsais versteckt, die unserem Vorgänger trotz habitueller Angst vorm Laubbaum das Verstecken erlaubten. Kubikkilometer aufgetürmtes Scheitholz geben Auskunft von großzügigen Baumfällorgien, nicht jedoch davon, wo die Bäume wohl gestanden haben mochten.

Das Höllenspektakel aber setzt sich innen mit Engagement fort. Die guten Leute Vorgänger – alte Stasibonzen, so geht hier die Rede – dürften eigentlich kurz vor dem Nirwana stehen, denn mindestens neun oder wieviel bisherige Leben müssen sie zur Gänze darauf verwandt haben, mit Hingabe ein Kollektiv an Häßlichkeiten zu ersinnen, die den Passus bezugsfertig, in unserer Gegenwart ausgesprochen, bereits mit leicht provokantem Klang anreichern. Schwarze Holzverkleidungen, soweit das Auge reicht oder reichen will oder kann, mit Zierschrauben angebracht, ganze Fünfjahrplanproduktionen im volkseigenen Aldehyd ersäufter Spanplatten und Sperrholztäfelchen, Talsperrenfüllungen an Beize und Holzlack haben hier grausige Verarbeitung gefunden. Holzimitat, Ziegeltapete, Schindeln an Kanten und Unterzügen, uninspiriert angebrachte Balken und Bohlen ohne Tragefunktion, ohne gestalterische ohnehin. Selbst die Türen sind mit Holztapeten unkenntlich gemacht.

Wo das Holz nicht hinpaßte, prangt Geschwürtapete, in Farbe und Konsistenz von der Rinde überreifen Butterkäses – das ideale Habitat für Petroleumlampen-Imitate, Setzerkästchen, Sammeltassen und Panoramatapeten. Dazu etwa 7.000 Steckdosen und Lichtschalter. Korrespondierend bewies man flächendeckend Mut zu Schmiedeeisernem. Und warmes Wasser ist erst nach einer dreistündigen Reise durch die vermutlich in gestalterischer Absicht mutwillig kurz und quer verlegten Rohre zu haben. Panoramafenster aus einfachstem Glas, damit die Heizung ständig laufen kann, die übrigen Fenster so konstruiert, daß sich Jalousien nur nach den Lehrsätzen experimenteller Akrobatik anbringen lassen. Flankiert von waffenscheinpflichtiger Außenbeleuchtung (im Postkutschenstil) und zum Blumenkasten umgewidmeter Holzschubkarre.

Doch halte ein in deiner Rede, schallt's aus dem Familienrund, die Kräfte sind zu schonen für die Austreibung des Zimmerkaminteufels im ansonsten dunkel positionierten und arschkalten Kellerkaminzimmer, ferner des Außenkaminteufels, der ohne jeglichen Sinn in einen Mauervorsprung geschmiert ist, und – tusch! – des überdachten, als Ziehbrunnen getarnten Grillplatzteufels im komplett mit Betonplatten ausgelegten „Garten“.

Denn war nicht hier, hinter den selbstgehäkelten Gardinen, die Hölle versteckt? Bestimmt.

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