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Die Herrschaft des Hundes

■ Dackelblut sind Hamburgs einzig wahre Punkband, aber ihre Geschichte wird wohl immer ein Rätsel bleiben

Bombay 1994: Der Hamburger Diavortragsveranstalter und Meistertrommler Jacques Palminger stöbert in der brodelnden indischen Metropole nach Bildmaterial für seine nachdenklichen Betrachtungen mit dem Titel „Geheimnisvolles China“. Irgendwann in jenen Tagen kommt es zu einer dieser Begegnungen, die ein ganzes Musikerleben verändern: Palminger wohnt in der In-Disco Big Apple einem Konzert der Underground-Heroen Dialog mit einer Zwiebel bei, Nachfolger der lokalen Legende Tiger Babes. Palminger: „Ich war schon viel herumgekommen, aber was sich da auf der Bühne abspielte, sprengte alles bisher Dagewesene in den Schatten.“

Besonders Gitarrist Andreas „Raiwan“Ness hat es dem Reisenden angetan. Begeistert spricht Palminger den wieselflinken Lockenkopf an und lockt ihn nach Hamburg, indem er ihm Ruhm und gebratene Scholle in Aussicht stellt. Zwar beherrscht Palminger kein Hindi, aber eine gemeinsame Verständigungsbasis ist bald gefunden: Geldscheine.

Der Rest ist schnell erzählt. Palminger und der Inder wissen genau, was ihnen zum entscheidenden Durchbruch noch fehlt: ein findiges Management, das den Fans mit ebenso cleveren wie nützlichen Merchandising-Artikeln – Kulturbeuteln oder Schürzen beispielsweise – eine schnelle Mark aus der Tasche zieht, dazu ein talentierter Fisch-Koch als Sänger sowie ein smarter Bassist mit Hauptstadt-Flair – mehr braucht es nicht, um das Starquartett vom Reißbrett zu gebären. Name: Dackelblut. Konzept: zeigen, was vom Punkrock hätte bleiben können, wenn er nicht alten Säcken, die unangenehm nach Rasierwasser der Marke „Revival“riechen, oder Schwiegersöhnen der Sorte „harter Kuscheltyp“anheimgefallen wäre.

Der Erfolg läßt nicht lange auf sich warten. Da Dackelbluts zuckende, ungefähr 13 Jahre vor der Bandgründung losgeschickte Melodien ihren Weg durch den Timetunnel unbeschadet überstehen und aus den Texten des Geschichtenerzählers und Hundefreundes Jens „Figo“Rachut sowohl Charme als auch Herzensbildung sprechen, werden diverse renommierte Veranstaltungszentren auf das Phänomen aufmerksam. So spielen Dackelblut jetzt zum wiederholten Male in der Fabrik, was dem heimischen Publikum Gelegenheit gibt, den Inder auf dem absoluten Höhepunkt seines Schaffens zu erleben. Außerdem zu Gast: die blutjunge Punkband Kurt aus dem Musikknotenpunkt Villingen-Schwenningen. Ihre Musik kommt laut Fabrik-Programmheft „quer durch jede Tür und sieht aus wie drei Ringer – auf die Steckdose genagelt“. Da bleiben wirklich keine Fragen offen.

Jan Möller

Freitag, 16. Januar,

21 Uhr, Fabrik

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