■ Die Heilsarmeepostille „Kriegsruf“ weiß, was den Handybesitzer von Gott unterscheidet: Zum Nulltarif
Etwa am Rande des bundesdeutschen Blätterwalds gedeiht eine gesunde, sich ganz prächtig ausnehmende Eiche – der Kriegsruf, die „Zeitschrift der Heilsarmee“, die schon seit geraumer Zeit allen modernen und dennoch gläubigen Menschen Woche für Woche die christlich-spirituelle Atzung kredenzt.
„Die Heilsarmee ist eine internationale Bewegung und Teil der universalen christlichen Kirche“, verkündet die Satzung betont sachlich. Gegründet wurde sie von William Booth (nicht „Booze“, wie atheistische Scherzbolde bisweilen glauben machen wollen); ihr derzeitiger Befehlshaber ist – hienieden – General Paul A. Rader, ihr „Territorialleiter“ für Deutschland Oberst Siegfried Clausen. Der Kriegsruf ist das „offizielle“ Truppenorgan. Stellvertretend für viele andere wirklich sehr gelungene Ausgaben sei an dieser Stelle Heft Nr.27 vom 4.Juli 1998 herausgegriffen, weil es die Stärken dieser Zeitschrift in, ja sagen wir ruhig: archetypischer Weise offenbart.
Nr.27 ist ein Themenheft rund ums Telefonieren. Im ersten Beitrag, für den wohl die alerte Redakteurin Frau Majorin Evelin Binsch verantwortlich zeichnet, wird sehr schön herausgearbeitet, was den normalen Handybesitzer von Gott unterscheidet: „Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, daß Menschen – trotz Handy – oft nicht zu erreichen sind, wenn man sie wirklich braucht. (...) Wer will denn schon wirklich rund um die Uhr überall erreichbar sein? Wohl niemand! Doch, einen kenne ich: Sein Name ist Gott. Seine Nummer besteht nicht aus einer Aneinanderreihung von Zahlen, sondern er ist unter einem Wort mit fünf Buchstaben zu erreichen: GEBET. Wir können ihn jederzeit ,anrufen‘ – und zwar gebührenfrei!“
Dieser kräftige Besinnungsaufsatz wird flankiert von einer spritzigen Glosse der beliebten Gastkolumnistin Frau Kommandeur Flora Larsson, die ganz ähnliche Erfahrungen gemacht hat: „Meine Himmelsleitung bricht niemals zusammen oder verstrickt sich mit denen anderer Menschen, so daß ich Teile ihres Monologes und sie Teile meines mit anhören können. Das fände ich sehr peinlich! Außerdem fallen keine Gebühren an, denn von dir kommt keine Rechnung, Herr. Ich muß für dieses Vorrecht auch keine Grundgebühr bezahlen. Danke, Herr – ein großes Dankeschön!“ Und einer Erleuchtung gleich wird dem Leser jetzt auch langsam das intrikate Motto verständlich, mit dem sich die Titelseite schmückt: „Gottes Angebot (zum Nulltarif): Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen. Psalm 50, 15.“
Doch Gott will nicht nur angerufen werden, wie der pikante Artikel „Wenn Gott ruft...“ aus der Serie „Blickpunkt Kuba“ deutlich macht. Hier werden wir Zeuge, wie die atheistisch erzogene Katerina „erste Erfahrungen“ mit der Liebe Gottes sammelt – und sich ihm schließlich ganz hingibt: „Eines Tages erkrankte Katarina und suchte einen Arzt auf. Weil sie starke Schmerzen hatte, gab ihr der Arzt eine Spritze. Aber die Schmerzen blieben. ,Ich kann außerdem noch etwas für Sie tun‘, sagte der Arzt. ,Was meinen Sie?‘ fragte Katerina, und als er antwortete ,Ich kann für Sie beten‘, war sie geschockt. (...) Bevor sie noch irgend etwas tun konnte, begann der Arzt zu beten, und sie fiel in tiefen Schlaf. Als sie wieder aufwachte, waren die Schmerzen weg, und seitdem hat sie nie mehr so starke Schmerzen gehabt.“ Im Gegenteil, die „Gebete“ haben ihr von Mal zu Mal mehr „Glückseligkeit“ geschenkt, sie wollte sie schließlich gar nicht mehr missen. Allmächtiger, sind wir nicht allzumal arme Sünder?
Am Schluß jeder wöchentlichen Glaubensschlacht werden, wie bei einer richtigen Bataille, auch im Kriegsruf die Verluste gezählt. Freilich, bei den Soldaten Christi wird natürlich nicht ordinär „gestorben“, „dahingerafft“ oder „abgenippelt“, sondern preußisch stramm „zur Herrlichkeit befördert“. So einen richtig pflichtschuldigen Heilsarmisten, den kann man eben nur mit einer waschechten Beförderung ködern. Frank Schäfer
Bezugsadresse: Heilsarmee in Deutschland, Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts, Salierring 23–27, 50677 Köln. Jahresabonnement (52 Hefte): 60 DM
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