Die Hauptstadt im Sonderangebot

Wirtschaftsvertreter schlagen dem Berliner Senat ein ungewöhnliches Immobiliengeschäft vor. Sie wollen 62 Millionen Quadratmeter ungenutzten Boden über einen Fonds verkaufen  ■ Aus Berlin Christian Füller

Die Herren der Wirtschaft verließen das Rote Rathaus frohgemut. Als die Vertreter der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), der Unternehmensverbände sowie „engagierte“ Businessmaker wie der frühere Sprecher der Bankgesellschaft, Wolfgang Steinriede, oder der Baulöwe Klaus Groth dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zum Abschied die Hand reichten, wußten sie: Das kann ein Riesengeschäft werden.

Die Wirtschaftsbosse hatten dem zerstrittenen Berliner Senat publikumswirksam ihr Know-how angeboten. Der Landesvater Eberhard Diepgen sah sich nicht mehr als Chef einer quasi bankrotten Landesregierung. In seinen Augen glänzten Geldnoten.

Kein Wunder: Vorgeschlagen wurde dem Regierenden Bürgermeister der Hauptstadt ein Riesen- Grundstücksgeschäft, das in seinen Dimensionen auch unter den ärmsten Bundesländern bisher einmalig ist: Das Land Berlin faßt alle landeseigenen Grundstücke, die von Behörden oder Bezirken nicht genutzt werden, in einem Fonds „Berliner Vermögen“ zusammen. Banken und sogenannte „institutionelle Anleger“ lassen dafür einen Betrag in zweistelliger Milliardenhöhe springen – und versilbern den Grund und Boden der Hauptstadt dann auf eigene Rechnung. Dabei erwartet das Land nach Aussagen der Haushaltspolitiker von SPD und CDU einen Betrag, der zwischen 25 und 50 Milliarden Mark liegt.

„Natürlich wollen die Geldgeber eine gute Rendite haben“, meint Hans-Heinrich Benda. Der Experte der Handelskammer für Öffentliche Finanzen hat das Papier mitverfaßt, das die Wirtschaftsvertreter dem Senat überreichten. Darin heißt es, „daß Privatisierung und die Trennung von Vermögen keine Notbehelfe sind, sondern Mittel zu einer positiven Umstrukturierung und Modernisierung Berlins“.

Was da verbrämt als Entstaatlichung vorgeschlagen wird, ist das größte Geschäft mit öffentlichem Eigentum, seit die Treuhand die Volkswirtschaft der DDR liquidierte. 380 Millionen Quadratmeter, in etwa die Fläche Ostberlins, gehören derzeit dem Land Berlin. Ein erheblicher Teil davon würde auf einen Schlag den Eigentümer wechseln.

62 Millionen Quadratmeter dieser Fläche sind ungenutzt, vom schmalen Freigrundstück bis zur großen Brachfläche. Diese Grundstücke sollen in den Fonds „Berliner Vermögen“ eingebracht werden. Die Fondsanleger bei Banken, Versicherungen und jenen, „die starke, liquide Mittel haben“, so Benda von der Handelskammer, veräußern die Pretiosen anschließend meistbietend. „Die Grundstücke sind dann natürlich weg“, weiß er. Und erläutert, zu wessen Gunsten das Riesengeschäft abgewickelt wird. „Wir verschaffen dem Staat kurzfristig Liquidität, dafür wollen wir die Grundstücke zum bestmöglichen Preis verkaufen.“

Ein Angebot, das der Senat kaum ablehnen kann. Zwar betont SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing, über Grundstücke, Betreiber und Konditionen des Fonds werde noch verhandelt, „einen Ausverkauf“ solle es auf keinen Fall geben. Doch bereits im August stehen die laut Präsidenten des Landesrechnungshofes, Horst Grysczyk, „schwierigsten Etatberatungen seit dem Zweiten Weltkrieg“ ins Haus. Bleibt also nur „Vermögensverwertung“, sprich: der Ausverkauf der Hauptstadt.

Den aber bringt das Land in Eigenregie kaum über die Bühne. Schon der Verkauf des Energieversorgers Bewag drohte an den ständigen Querelen in der Großen Koalition zu scheitern. Auch bei der Erfassung und Bewertung der Liegenschaften des Landes regnet es von allen Seiten Vorschläge, wie damit das große Geld zu machen sei. Dabei weiß Berlin noch nicht einmal, wieviel es genau besitzt.

Finanzsenatorin Fugmann- Heesing war angetreten, diese Wissenslücke zu schließen. Nach 18 Monaten Amtszeit liegt bei ihrem Liegenschaftsverwalter Hans- Joachim Legermann zwar eine Zusammenstellung aller staatseigenen Grundstücke vor. Aber die Bezirke und Behörden rücken nicht recht mit der Sprache heraus, wie sie den Grund nutzen. Das wiederum ist notwendig, um den Wert des immobilen Vermögens zu taxieren. Wenn die Grundstücksliste Ende des Jahres bewertungsreif ist, nimmt die Bauverwaltung die geldmäßige Bewertung vor. „Das kann Jahre dauern“, heißt es. Soviel Zeit aber hat der Senat nicht.

Auf diesen Zeitdruck setzen die Vertreter der Wirtschaft. „Es gibt zwei Möglichkeiten“, kündigt IHK-Finanzexperte Benda an: „Entweder der Senat macht weiter wie bisher, oder er akzeptiert unseren Vorschlag.“ Die professionelle unternehmerische Lösung wäre der Megafonds, so Hans-Heinrich Benda. „Dann wird nicht mehr ewig beraten und politisch verhackstückt.“

Einen ähnlichen Versuch hat Hamburg gemacht – doch bleibt das Geschäft dort unter Kontrolle des Senats. In der Hansestadt arbeitet seit vorigem Jahr eine sogenannte „Asset-Management-Consulting“ (AMC) an der Erfassung und Bewertung der hanseatischen Liegenschaften. Die Entscheidung, welche Grundstücke verkauft werden, bleibe allerdings bei der Stadt, erläutert AMC-Mitarbeiter Bernd Thode: „Wir machen nur Vorschläge.“

Kein Vorbild für Berlin, befand die Handelskammer. Nur mit Erfassen und Bewerten komme man angesichts der Berliner Haushaltslage nicht weiter. Es gehe doch nicht, so Hans-Heinrich Benda, „daß der Senat einzelne Grundstücke selber verkauft“. Dann lieber einen Big Deal.

Nach dem jüngsten Koalitionsgespräch am Dienstag abend mit der SPD machte Eberhard Diepgen klar, daß er dazu bereit ist. Und zu mehr. Die Bildung eines Fonds „Berliner Vermögen“, so Diepgen, „muß schnell konkretisiert“ werden – und zwar mit Grundstücken, die das Land derzeit noch nutzt.