: Die Grünen gehen stiften - zweiter Versuch
■ Grüner Parteitag am Wochenende: Nach dem gescheiterten Anlauf soll nun eine grün–nahe Stiftung gegründet werden / Zwei Modelle eines Dachverbands konkurrieren um die Gunst der 650 Delegierten / Eine Strategiedebatte findet in Ludwigshafen noch nicht statt
Aus Bonn Charlotte Wiedemann
Die Bundesversammlung der Grünen am kommenden Wochenende in Ludwigshafen beginnt sinnigerweise schon am späten Nachmittag des Freitag. Wird am ersten Abend keine Einigung über die Gründung einer grünnahen Stiftung gefunden, bleibt den Kontrahenten eine lange Nacht Zeit zum Kungeln. Anders als auf dem gescheiterten Stiftungsparteitag in Oldenburg vor sieben Monaten stehen jetzt aber nicht mehr verschiedene einzelne Modelle für eine Stiftung zur Alternative. Die Oldenburger Versammlung hatte sich damals ohne Ergebnis vertagt, nachdem weder die Heinrich–Böll–Stiftung, der Zusammenschluß der Länderstiftungen, die Frauenstiftung noch ein Bewegungsmodell die nötige Zwei–Drittel–Mehrheit gefunden hatten. Nach monatelangen internen Verhandlungen werden den 650 Delegierten in Ludwigshafen nun zwei konkurrierende Kooperations–Modelle präsentiert, die beide für sich in Anspruch nehmen, der einzig mögliche Kompromiß zu sein. Die bereits gegründete Heinrich–Böll– Stiftung und Frauen–An–Stiftung wollen sich mit den Länderstiftungen zu einem „Stiftungsverband Regenbogen“ zusammentun: Unter dem gemeinsamen grün–nahen Dach soll jede der drei Mitgliedsstiftungen autonom arbeiten und ein Dritel der staatlichen Globalzuschüsse erhalten. Die VertreterInnen der Länderstiftungen lehnen dies „bloße Koalition der Knete“ (Helmut Lippelt) aber ab - vor allem, weil sie selber mehr Knete wollen. Die Förderativen schlagen deshalb eine „Stiftung Regenbogen“ vor, die die Hälfte der Gelder pauschal an die Länder gibt und die andere Hälfte zwischen Ländern, Frauen–Stiftung und Böll–Stiftung teilt. In diesem Modell sollen sich die einzelnen Mitgliedsstiftungen auf eine ge meinsame Zielsetzung einigen.Der Bundesverstand hält sich mit einer Parteinahme in diesem Streit zurück. Die nach Oldenburg mit der Einigung betraute Stiftungskommission der Partei spricht sich gegen das Modell dreier autonomer Stiftungen unter einem Dach aus, denn dies würde „den Streit zwischen den Stiftungen ständig auf die Tagesordnung setzen“. Vermutlich werden die Delegierten in Ludwigshafen noch einmal entscheiden müssen, ob die Anerkennung einer grün–nahen Stiftung an die Hürde des Zwei–Drittel–Mehrheitsvotums gebunden bleibt. Da bei den Grünen „nirgends so hoch gepokert wird wie in der Stiftungsfrage“ (Geschäftsführer Eberhard Walde), mühen sich die Kontrahenten im Vorfeld des Parteitags, die jeweilige Relevanz ihres Modells für die grüne Utopie– Bildung herauszustellen. Lukas Beckmann als Vertreter der Heinrich–Böll–Stiftung wirft dem föderativen Modell seine Parteinähe vor: „Es geht um die Grundsatzfrage, ob sich die Grünen von der Praxis der Altparteien klar absetzen wollen.“ Die Föderativen seien Ausdruck einer neuen Strömung des „demokratischen Zentralismus“ in der Partei; es gehe um den Konflikt „Apparate contra Freiheit und denken“. Solange die Ländervertreter auf ihrem „Hegemonieanspruch“ bestünden, gebe es keinen Kompromiß; so sieht es auch die Frauenstiftung. Helmut Lippelt als Vorreiter der Föderativen kontert, die Arbeit der Regionen müsse gestärkt werden, weil es doch wesentliches Anliegen der Grünen sei, daß „Gesellschaftsveränderungen von unten kommen“. Trotz des Fahnenschwingens im Vorfeld und trotz Lukas Beckmanns düsterer Prophezeiung: „Ich fürchte, es wird wie in Oldenburg zu keiner Einigung kommen“, wird es in Ludwigshafen noch Raum für weitere Kompro mißfindung geben. Denn allen Beteiligten ist klar, daß sich die Grünen einen dritten Anlauf zum Sprung auf die Staatsknete in absehbarer Zeit nicht leisten können, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Nachdem ein vorsichtiger Versuch der Bundestagsabgeordneten Bärbel Rust, im Haushaltsausschuß des Bundestags die Finanzierung für die Heinrich–Böll–Stiftung (ohne deren Anerkennung durch die Partei) auszuloten, eher die Schwierigkeit dieses Unterfangens gezeigt hat, sind auch die Böll–Vertreter wieder mehr an Kompromißfindung interessiert. Neben der Stiftungsfrage wird sich der Parteitag mit den Themen Atompolitik, Beratungsgesetz und Repression/Widerstand befassen. Grundsatzfragen werden jedoch dem Strategiekongreß im Mai vorbehalten sein. Fünf Mitglieder des Bundesvorstands müssen turnusmäßig neu gewählt werden; politisch interessant scheint dabei nur die Kandidatur der Müttermanifest–Vertreterin Doro Pass–Weingartz. Die von einigen Realos gewünschte Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat, um Bundestagsmitgliedern Vorstandsposten zu ermöglichen, wird diesmal noch nicht Thema der Satzungsdiskussion sein: Die Anträge wurden zu spät eingereicht.
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