Die GrafikerInnen der neuen taz : „Ich hatte mir das schlimmer vorgestellt“
Die GrafikerInnen Janine Sack und Christian Küpker verantworten das neue Layout der gedruckten taz. Ein Gespräch über Weißraum und den Wegfall des Kenkels.
Interview MARTIN REICHERT, Foto KARSTEN THIELKER
taz.am wochenende: Janine, Christian – ihr habt gerade viel Lebenszeit aufgewendet, um der taz ein neues Layout zu verpassen. Lohnt sich das eigentlich noch? Zeitungen, so heißt es, sind doch von gestern.
Janine Sack: Natürlich kann man insgesamt einen gewissen Auflagenschwund beobachten – aber die Zeitung ist ein Kulturgut, das man nicht einfach aufgeben sollte. Außerdem ist das mit dem angeblichen Ende der Zeitung ja auch noch nicht geklärt. Es ist sicher richtig, dass die taz ihr Angebot auf mehrere Kanäle verteilt – Tageszeitung, Wochenendausgabe, E-Paper, Veranstaltungen, Online, Social Media. Die LeserInnen und ihre Lesegewohnheiten ändern sich.
Ein Layout zu verändern, das bedeutet, dass das Wohnzimmer umgeräumt wird. Das findet nicht jeder gut – was wird vom Alten bleiben?
Christian Küpker: Zunächst mal bleibt ja die Brotschrift. Das gewohnte Leseerlebnis wird also nicht gestört. Und die Spaltigkeit bleibt, auch wenn wir sie erweitert haben. Wir haben an anderen Stellen gedreht – an den Headline-Mechaniken …
Also den Überschriften …
Küpker: … da hatten wir das Gefühl, dass es ein Update braucht. Wir schreiben ja das Jahr 2017.
Sack: Was auf jeden Fall bleibt ist der Spirit. Ein gewisser Geist, auf den wir auch bei der Recherche gestoßen sind. Die Lust am Lauten, Witzigen, Verdrehten, auch Provokativen. Eine bestimmte Sprache, eine bestimmte Weise, auf die Welt zu schauen, die ja die taz ausmacht. Das versuchen wir jetzt auch visuell wieder stärker abzubilden.
Motto, zurück in die Achtziger?
Sack: Nein, natürlich nicht. Aber wir haben uns tatsächlich von alten Ausgaben inspirieren lassen – aus den Neunzigern. Da kann man natürlich nichts eins zu eins übernehmen, allein die Fülle von Text, die damals auf den Seiten stand, das entspricht nicht mehr heutigen Lesegewohnheiten – umgekehrt ist die Art, wie auf der Seite eins mit Themen umgegangen wurde zeitlos.
Inwiefern?
Sack: Weil es aggressiv ist, humorvoll, meinungsstark. Wir haben auch visuell durchaus Anleihen genommen – aber es sieht trotzdem, hoffentlich, nicht retro aus.
Ist es nicht irgendwie witzig, dass die Titelseite der täglichen taz besonders gut in sozialen Medien läuft? Warum ist das so?
Sack: Es gibt eine wahnsinnige Sehnsucht, trotz digitaler Nutzung das vertraute Medium wiederzuerkennen und auch wirklich in den Händen zu halten, zu besitzen. Umgekehrt gibt es ja auch die Metapher des Analogen im Digitalen – es braucht einfach diese Anbindung, dieses Wiedererkennen von Formen. Wir sind in einer Übergangszeit – und da greifen die Leute gern auf etwas Vertrautes zurück.
Okay, wie seid ihr nun konkret vorgegangen, habt ihr euch in unser Archiv eingegraben?
Sack: Ehrlich gesagt haben wir uns das online angeschaut, alte PDFs.
Oh nein, digital!
Sack: Ja, aber ich hatte auch noch einiges im Privatarchiv. Alte gedruckte Ausgaben.
Ihr seid also auch Leser?
Küpker: In meiner alten WG in Hannover war die taz eines der sieben Abos. Ich war somit Beileser, das war in den Neunzigern. Online habe ich aber immer weiterverfolgt, was in der taz läuft.
Sack: Ich bin eine stete unregelmäßige Leserin. Keine Abonnentin. Aufgewachsen bin ich eigentlich eher mit Frankfurter Rundschau und Spiegel – aber je weniger links der wurde, desto interessanter wurde die taz.
Beim Freitag hast du dann als Art-Direktorin gearbeitet?
Sack: Ja, fast fünf Jahre. Da habe ich auch den Relaunch mitverantwortet.
Das war 2009, zeitgleich gab es einen bei der taz.
Sack: Ja, den habe ich damals auch mitverfolgt. Es ist eine Freude, dass ich nun den nächsten bei der taz mitgestalten kann.
Nun aber doch auch eine Klage: Der Kenkel ist verschwunden. Das kleine Viereck, das als Orientierungshilfe dient. Warum musste der weg, den gab es doch immer!
Küpker: Ich habe gelernt, das der einst von einem taz-Layouter namens Wolfgang Kenkel erfunden wurde.
Sack: Wir haben versucht, ganz viel zu reduzieren. Jemand hat unsere Arbeit neulich sinngemäß als „einfache, durchgeschriebene Art“ bezeichnet, und das trifft es ganz gut. Das war für uns eine Art Leitfaden. Intern haben wir das immer wieder für uns zitiert. Die Anläufe bei Kästen werden jetzt einfach gefettet, und dann geht der Text weiter – anstatt eines Kenkels und eines gefetteten Stichworts.
Eine Vereinfachung also.
Sack: Es gibt eine Auszeichnungsebene, und mehr braucht es auch nicht. Kenkel, Pfeile, Fettungen – wir haben versucht, das weitestgehend herunterzufahren. Wenige Elemente, ein ruhiger Fluss.
Weniger Geflimmer!
Küpker: Es gab zumindest sehr viele Hierarchien. Noch mal eine Rubrizierung, noch mal eine Unterzeile – sehr vieles schrie um Aufmerksamkeit, bis zu fünf Anläufe.
Und jetzt „inhaltliche Fettung“. Allerhand – wer denkt sich das aus?
Sack: Es geht darum, den Textanlauf zu fetten, anstatt ein Stichwort zu formulieren wie bislang. Vieles ist ja im Gespräch mit den Akteuren aus der taz entstanden. In dem Fall haben wir das vorgeschlagen – und das wurde sofort gut angenommen und auch ins „Stilbuch“ geschrieben.
Die künftige Layoutbibel, an die sich alle halten müssen. Wie sieht es denn mit dem „Weißraum“ aus – also dem Platz, der weder mit Fotos noch mit Text belegt ist?
Küpker: Auf einigen Seiten ergibt sich mehr Weißraum, weil Elemente wie die Kurzmeldungen weggefallen sind. Den haben wir quasi geschenkt bekommen. Aber auch unsere Art, mit Fotos umzugehen, sorgt für Platz. So geht nichts zu Lasten von Textlängen.
Sack: Allerdings hatten sowohl Layout als auch Fotoredaktion Bedenken, dass wieder Text in den Weißraum fließen wird.
Jetzt sind wir Redakteure schuld! Na, die Fotoredaktion wird noch schön schauen, wenn die Fotos beschnitten werden und reingeschrieben wird.
Sack: Das wird sicher eine interessante Auseinandersetzung. Jeder Bereich hat uns nun auch noch mal Anmerkungen mitgeteilt. Man kann da auch nicht alles in Regeln gießen. Ich glaube aber, dass ein Leser nicht besser bedient ist, wenn mehr Zeichen auf der Seite sind. Er braucht auch Orientierung, und der Weißraum hilft zu verstehen, was wo steht.
Küpker: … damit es statt nur voll zu sein auch gelesen wird.
Die taz hat, anders als viele andere Publikationen, keinen Art-Direktor. Macht ihr euch Sorgen, was wir mit eurem Layout anstellen werden?
Sack: Also Sorgen mache ich mir nicht. Das wird gut funktionieren. Aber es wird sich sicher verändern – und das soll es auch. Die Gefahr ist höchstens, das es mit der Zeit immer voller und dichter wird und dadurch weniger ansprechend.
Wenn die Inhalte ins Blatt drängen.
Sack: Bilder und Layout sind Teil der inhaltlichen Aussage. Aber wir haben einen Baukasten entwickelt, der ermutigt, freizügig zu arbeiten und vielen Anforderungen Rechnung zu tragen.
Die taz. am wochenende soll sich von der täglichen Ausgabe unterscheiden – inwiefern?
Küpker: In der Wochenendausgabe gibt es keine inhaltlichen Veränderungen. Aber wir haben eine andere Headline-Mechanik entwickelt, besonders für die großen Geschichten, die es ja im Wochenende verstärkt gibt.
Sack: Die Seiten am Wochenende werden anders bespielt, alles ist großzügiger gestaltet. Der Unterschied kommt daher stärker zum Tragen, als man denkt.
Wart ihr eigentlich manchmal genervt von all den Akteuren, die hier bei der taz mitdiskutieren wollen?
Küpker: Nein, eigentlich hatte ich mir das schlimmer vorgestellt …
Sack: Ernsthaft fand ich es sehr konstruktiv. Ein gutes Arbeiten.
Küpker: Ich hatte den Eindruck einer großen Offenheit gegenüber Veränderung.
Eine Frage noch: Ursprünglich sollten die Überschriften der Artikel in Kleinbuchstaben geschrieben werden. Warum ist das jetzt doch nicht so?
Sack: Es wurde sich dagegen entschieden.
Es wurde sich dagegen entschieden?
Küpker: Bei Wikipedia wird die taz ja sogar ausdrücklich erwähnt, wenn es um Kleinschreibung geht – und darauf hatten wir uns auch berufen.
Sack: Es gab Bedenken, dass es womöglich schlecht altert, man dessen also rasch überdrüssig werden könnte.
Küpker: Es war fifty-fifty.
Zu eurer Grundidee für das taz-Layout gehört der „systematische Regelbruch“ – zum Beispiel soll teilweise bis ganz zum linken Rand gedruckt werden. Ist das politisch zu verstehen?
Sack: Manchmal fallen Dinge ja gut an den Platz … aber im Ernst wollten wir auch versuchen, an die Grenzen des Zeitungsdrucks zu gehen. Das war ein interessantes Hin und Her, auch mit den Druckereien. Der Vertrieb und die Layoutabteilung haben sich da wahnsinnig mit reingehängt, weil alle die Idee toll fanden. Aber das war nicht einfach.
Küpker: Es ging auch um den Faktor Zeit. Beim Druck muss an den Maschinen was umgestellt werden, das dauert. Bei einer Tageszeitung spielen schon fünfzehn Minuten eine Rolle.
Manches Layout wäre auch schöner, wenn der Layouter den Text schon etwas früher hätte …
Sack: Auf manchen Seiten fällt das nicht so ins Gewicht. Aber bei den Ressort-Aufmachern oder den großen Texten am Wochenende könnte das zu einem noch besseren Ergebnis führen. Das ist nicht immer möglich, klar. Aber es braucht da eine gute Zusammenarbeit der Abteilungen. |