piwik no script img

■ Die Gesundheitsreform wird den gläsernen Patienten schaffenDie Arztwahl muß frei bleiben

Tempo, Tempo. Im Mai soll die Vorlage für die größte je dagewesene Reform im Gesundheitswesen fertig sein. Doch auch nach den Beratungen der letzten Tage bleibt vieles noch vage. Klar ist, daß kein Patient weniger an Gesundheitsleistung erhalten soll als bisher. „Rationalisieren und optimieren statt rationieren“ lautet die Devise der Regierung.

Fischer setzt auf Verbundsysteme. Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte sollen sich in Diagnose und Behandlung besser aufeinander abstimmen. Der Hausarzt soll die Patienten durch das System lotsen. Das ist gut, das gibt es bereits als Modellvorhaben. Versicherte nehmen die vernetzten Praxen gerne an. Für die Ärzte lohnt sich solch ein Zusammenschluß derzeit besonders, da die Krankenkassen sie finanziell belohnen. Sie erhalten einen Honorarbonus. Weil im Modell alles prima läuft, will Fischer alle Versicherten dazu animieren. Die Krankenkassen sollen demnächst demjenigen einen Bonus einräumen, der sich verpflichtet, vor einem Facharztbesuch den Hausarzt aufzusuchen. Die Koalition, so hieß es gestern, habe sich auf diesen Bonus noch nicht einigen können. Das sollte sie auch nicht.

Eine Beitragsrückzahlung verstößt gegen das Prinzip der Solidargemeinschaft. Wer einzahlt, gibt auch für jene mit, die mehr an Gesundheitsleistungen benötigen. Außerdem können es sich die Krankenkassen nicht leisten, Geld zurückzugeben. Wenn Andrea Fischer mit dem Bonus populäre Geschenke machen will, sollte sie sagen, wo im System das Geld eingespart werden kann. Das Gesundheitsministerium geht davon aus, daß mindestens zehn Prozent der Ausgaben für ärztliche Leistungen sich durch das Bonussystem einsparen ließen. Fachleute der Kassen halten höchstens fünf Prozent für realistisch. Folglich stünden für ein Bonussytem 2,2 Milliarden Mark zur Verfügung. Bei 51 Millionen Beitragszahlern käme jeder auf 40 Mark pro Jahr. Welch ein Anreiz!

Dafür sollen wir Patienten auf die freie Arztwahl verzichten und uns vorschreiben lassen, wie häufig wir zum Facharzt gehen dürfen. Die Krankenkassen müßten ihr gesamtes Verwaltungssystem umstellen. Das kostet nicht nur, es beschert uns auch den gläsernen Patienten. Wenn die Kassen kontrollieren wollen, wer sich wirklich ans Hausarztmodell hält und somit bonuswürdig ist, brauchen sie Einzeldaten. Wer aber weiß, wieviel der einzelne das System kostet, ist von Risikozuschlägen und Rationierung nicht weit entfernt. Andrea Fischer wird es wissen. Annette Rogalla

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen