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Die GesellschaftskritikLeider kein Stern für dich

Foto: dpa

WAS SAGT UNS DAS? Amazon verklagt in den USA über 1.000 Personen, die falsche Produktbewertungen geschrieben haben.

Jetzt reicht es Amazon also: Der Onlinehändler aus Seattle reichte am Freitag Klage gegen über 1.000 Nutzer ein, die gefälschte Rezensionen verfasst haben sollen. Genauer gesagt: gegen Freiberufler, die gegen Bezahlung positive Produktbewertungen auf der Freelancer-Plattform Fiverr angeboten und ausgeführt haben sollen.

Die Identität dieser Fake-Rezensenten ist nicht geklärt, sie hätten laut Amazon zahlreiche Konten und IP-Adressen genutzt, um ihr Tun zu verschleiern. Nun aber könnte Amazon versuchen, Fiverr per Gerichtsbeschluss zur Herausgabe der Daten seiner Freelancer zu zwingen.

Warum Amazon diesen Schritt geht, liegt auf der Hand: Die Reputation der eigenen Marke werde durch derlei „falsche, irreführende und unauthentische“ Bewertungen beschädigt, so der Konzern.

Reputation im Netz ist Kapital. Kapital für die Betreiber von Diensten wie Amazon oder Yelp – weil ihre Plattformen die Mittel schaffen wollten, dass sich hier ganz unverstellt von Kunde zu Kunde über die Qualität von Produkten und Dienstleistungen ausgetauscht werden kann. Was von unverzichtbarem Wert ist, wenn Leute im Netz von unbekannten Händlern kaufen sollen.

Solange es Kundenrezensionen gibt, so lange wollen auch andere daraus Kapital schlagen. Natürlich nicht schön, aber: Das Netz ist keine Blümchenwiese, auf der alle nur das Beste wollen und kostenfrei, im Dienste von Netzgiganten, Experiences sharen.

Weswegen es natürlich nur so wimmelt von USB-Kabeln, die „mein Leben verändert haben“, Wasserbetten, die „ich am Liebsten gleich noch mal“ kaufen würde, oder himmelhochjauchzende Rezensionen gesichtsloser Mittelklasse-Bettenburgen.

Bis zu 15 Prozent aller Onlinebewertungen sind Fake, schätzt der Technologie-Thinktank Gartner. Seit Juni hat der Amazon selbst lernende Maschinen im Einsatz, die relevantere, jüngere und vertrauenswürdige Bewertungen hervorheben sollen.

Ein wenig lustig daran: Auch bei Amazons Dienst Mechanical Turk, der ähnlich wie Fiverr Mikroaufgaben zur Mikrobezahlung ans digitale Prekariat vermittelt, rutschen immer wieder Jobs durch, bei denen Geld für Fake-Rezensionen geboten wird.

Preist man ein, dass um negative Fliegengitter-Verkäuferbewertungen und Pizzeria-Verrisse längst Klagen geführt wurden, sieht es ganz danach aus, dass sich das System von Kundenrezensionen einfach selbst geschrottet hat. Meike Laaff

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