: Die Geschichte von Ayse
betr.: Einbürgerungstest
Ich werde mich ab heute als Türkin bezeichnen. Denn der Beschluss zur Einführung des Einbürgerungstests ist der Beweis dafür, wie wenig bei solchen Entscheidungen Rücksicht auf integrierwillige Jugendliche mit Migrationshintergrund (wie ich mich bezeichnen muss!) genommen wird. Ein Ausländer, der eine gute schulische Bildung genossen hat, wird sich nun gegen diese Maßnahmen auflehnen und beispielsweise am 1. Mai auf die Barrikaden gehen und: „Nie, nie, nie wieder Deutschland!“ brüllen.
Vielleicht erzähle ich mal die Geschichte eines türkischen Mädchens, nennen wir sie Ayse. Ayse war schon immer ein ziemlich aufgewecktes Kind. Der schönste Tag in ihrem Leben ist wohl ihr erster Schultag gewesen, bis sie feststellen musste, dass sie in der Schule alle Aufgaben, die für eine ganze Woche gedacht waren, an einem Tag erledigen konnte und den Rest der Woche vor sich hin vegetierte (schade). Glücklicherweise hielt sie tapfer durch und ihre Noten litten nicht unter diesen Umständen. Auf dem Gymnasium erging es ihr ähnlich. Sie konnte sich während der Sekundarstufe II vorstellen, mitteleuropäische Geschichte zu studieren, ließ es aber sein, da sie lieber einen „handfesten“ Studiengang belegen wollte. An seine Zukunft denkt man schließlich auch ab und an.
Nun, nach dem Abitur wollte sie die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, die 250 Euro undnpaarzerquetschte, die sie für ihr Vorhaben benötigte, ließen sich jedoch auch problemlos in einen neuen PC investieren. Außerdem konnte sie sich nicht erklären, warum die Bundesrepublik Deutschland nicht auf die Idee kam, Ausländer wie sie mit dem deutschen Pass zu „belohnen“. Einfach so, als Lohn für ihre Mühen. Nein, sie musste relativ kurze Zeit später auch noch erfahren, dass sie, obwohl sie Geschichte als Leistungskurs gewählt hatte – ohne Verpflichtung! –, nun in irgendwelche Kurse gehen sollte, um einen Test bestehen zu können, nur um dann auch noch feierlich oder eher auf eine bescheidene Art und Weise (je nach dem, wie es das Land Berlin für gut hielt) als deutsche Staatsbürgerin akzeptiert werden zu können.
Ayse hatte auf all diese Ungereimtheiten keine Erklärung. Ayse nahm sich vor, einen Brief zu schreiben und diesen an verschiedene Menschen zu verschicken, von denen sie Empathie erwartete, also die Fähigkeit, die vielen deutschen Politikern anscheinend fehlt. Während Ayse ihren Brief tippelte, fiel ihr etwas Merkwürdiges auf. Immer wenn sie Ayse schrieb, meldete ihr Programm einen Rechtschreibfehler. Als sie es daraufhin mit Anne oder Martina versuchte, nicht (komisch). A. I., Berlin