piwik no script img

Die Freude

■ Fanny Müller:

Nach unserem Scheidungstermin gingen mein nunmehriger Ex-Ehemann und ich noch ein Stück gemeinsam bis zur U-Bahn Eppendorfer Baum; von dort an sollten unsere Wege sich für immer trennen – so glaubte ich.

Als wir am Isebekkanal vorbeikommen, zieht er plötzlich mit großartiger Geste den Ehering vom Finger, wirft ihn ins Wasser und sagt mit dramatischer Betonung: „Du wirst nie wieder von mir hören!“

Dagegen hatte ich ja nichts, aber die Sauerei war, daß ich die Ringe bezahlt hatte und beabsichtigte, sie wieder zu verkaufen, um mir endlich mal was Anständiges zu gönnen.

Ich hab meinen Ring dann doch behalten, weil es sich als ganz praktisch erwiesen hat, die Hand unauffällig auf den Tisch zu legen, wenn man mal nicht angebaggert werden will.

Kurze Zeit später erfuhr ich dann, daß er bei einer Zeitung angeheuert hat, von der alle Leute behaupten, sie läsen sie nie, höchstens den Sportteil. Anlaß genug für mich, stante pede das Standesamt aufzusuchen und mir für 15 Mark meinen alten Namen zurückzukaufen. Insbesondere auch deshalb, weil mein früherer Gatte mit voller Unterschrift für solche Titel wie „Geheimnisvolle Frauenkrankheit – schon Tote?“ verantwortlich zeichnete.

Das war's dann, dachte ich, und ging weiterhin ruhigen Blutes meinen unterschiedlichen Jobs nach: Babysitterin, Kellnerin, Stewardess auf dem TEE (heute heißt das IC) – was auch nichts anderes als Kellnerin ist, außer daß man mehr Leuten als gewöhnlich die Suppe auf die Hose gießt, weil ein normales Restaurant nirgendwo in die Kurve geht.

Der interessanteste Job allerdings war meine Aushilfe beim Ärztlichen Notdienst. Da rufen die Leute an, wenn die Praxen geschlossen haben, und meine Aufgabe bestand darin, die Anrufe entgegenzunehmen und auf ein vorgedrucktes Formular die Angaben der Patienten einzutragen. Ein anwesender Arzt entscheidet dann, ob jemand hingeschickt wird oder ob die Empfehlung, es doch einmal mit einer heißen Wärmflasche zu versuchen, ausreicht.

Zunächst hatte ich als Nicht-Hamburgerin einige Verständigungsschwierigkeiten, aber bald schon konnte ich „Mein Mann hat das wieder so midde Bronschieten“ als „Bronchialkatarrh“ übersetzen und schickte auch die Frau, die es „mit der Schildkröte“ hatte, nicht ins Tierheim.

Eines schönen Sonntagmorgens gegen fünf Uhr nehme ich den Anruf einer sehr aufgeregten jungen Dame entgegen, die mir mitteilt, es habe gestern abend eine kleine Feier stattgefunden und ihr Verlobter sei soeben aufgestanden, weil er wohl großen Durst verspürt habe, und in einer gewissen Verwirrtheit habe er versehentlich eine Dose Haarspray aufgemacht, dieselbe ausgetrunken und nun sähe er so komisch aus.

Ich wundere mich flüchtig, wie man so ein Ding wohl überhaupt aufmachen kann – ich selbst habe schon Schwierigkeiten mit einfachen Kronenkorken – frage dann aber professionell nach: Name, Geburtsdatum, Adresse, Krankenkasse...

Und dann sagt sie den Namen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen